Ich-bin

Edi­tier­tes Tran­skript der Sonn­tags­grup­pe vom 29.09.2019

Stille ist, 

und ist bereits.

Es bedarf kei­ner Anstrengung,

die Prä­senz der Stille zu füh­len, sie zu wissen. 

Es bedarf kei­ner Anstrengung,

um der Prä­senz der Stille zu gewah­ren, ihr zu lauschen.

Ein­zig Stille ist. 

Stille ist, Augen­blick für Augenblick,

die Quel­le allen Erfahrens.

Stille offen­bart dein Sein, 

das Sein aller und das Sein von allem.

Stille ist das wah­re Ich allen Erfahrens. 

Da wir Stille gewah­ren, gewahrt Stille uns. 

Da wir Stille füh­len, fühlt Stille uns. 

Da wir Stille lau­schen, lauscht Stille uns. 

Es ist ein Gewah­ren, ein Fühlen, 

ein Lau­schen, eine Prä­senz, eine Lie­be.

Lasst uns eini­ge Minu­ten als und in und durch Stille ruhen.

~

Ich habe für uns ges­tern Abend eine Geschich­te geschrie­ben, die ich gleich vor­le­sen möch­te. Es ist die Geschich­te eines Bau­mes. Lasst uns die Geschich­te ent­spannt, emp­fäng­lich und wach erleben:

Stell dir vor, du bist ein Obst­baum auf einer Wie­se, inmit­ten vie­ler ande­rer Obstbäume.

Alle Bäu­me haben die Fähig­keit, sich gegen­sei­tig wahr­zu­neh­men und mit­ein­an­der zu sprechen. 

Sie spre­chen über alles, was sie sehen kön­nen, über die Wie­se, die Blu­men, die Tie­re, den Him­mel, den Wind, die Wol­ken, das Licht und die Wär­me der Son­nen­strah­len, die Dun­kel­heit und die Käl­te der Nacht, den Regen, den Schnee, den Mor­gen­tau; über ihren Stamm, ihre Rin­de, ihre Blät­ter, ihre Äste, ihre Früch­te und über den Stamm, die Rin­de, die Äste, die Blät­ter und die Früch­te der ande­ren Bäu­me. Wenn sie gera­de nicht spre­chen, den­ken sie über all die­se Din­ge nach. Wenn sie schla­fen, träu­men sie von all die­sen Dingen.

Stell dir vor, dass du, der Obst­baum, inmit­ten der ande­ren Obst­bäu­me, eines Tages eine Stim­me ver­nimmst, die dir sagt, dass du mit dei­nem Geist nicht nur nach außen schau­en kannst, dir nicht nur dei­ner Außen­welt gewahr wer­den und über sie nach­den­ken kannst, son­dern dass du mit dei­nem Geist nach innen zu füh­len ver­magst, um dir dort all des­sen gewahr zu wer­den, was dir allein mit dem Schau­en nach Außen und dem Den­ken über die äuße­ren Din­ge nicht bewusst ist. 

Du beginnst mit dei­nem Geist nach innen zu füh­len, was dir zunächst schwerfällt.

Zu sehr bist du es gewohnt, den Geist nach außen zu rich­ten und ihn dafür zu ver­wen­den, über das, was du im Außen wahr­nimmst, nachzudenken.

Du übst dich jedoch dar­in, nach innen zu füh­len. Mehr und mehr beginnst du eine stille, war­me Prä­senz zu spü­ren. Du spürst einen Frie­den, den du zuvor nicht kann­test. Du bist offen dafür zu erfah­ren, was es mit die­ser Prä­senz auf sich hat. Die Stim­me, die dich zum Füh­len nach innen inspi­riert hat, mel­det sich wie­der und spricht: „Die­se Prä­senz ist dein inne­res Bewusst­sein. Es ist viel grö­ßer als das, was du im Außen erbli­cken kannst. Fra­ge mich, wenn du mehr wis­sen möchtest.“

Da du wei­ter übst, nach innen zu füh­len, statt über Äuße­res nach­zu­den­ken, spürst du immer deut­li­cher, dass dein Kör­per, dein Stamm dei­ne Äste und selbst dei­ne Blät­ter von einem woh­li­gen Strom, einem sanf­ten Flie­ßen, durch­drun­gen sind. Du fragst die Stim­me, was die­ses Strö­men ist. „Es ist die Kraft, die aus der Tie­fe des Erd­bo­dens in dei­nen Kör­per dringt und dich nährt.“

Du beginnst nun, nicht nur das Flie­ßen die­ser Kraft zu in dir spü­ren, son­dern all­mäh­lich auch das Reich jen­seits der Erd­ober­flä­che. Auf dei­ne Nach­fra­ge erklärt dir die Stim­me, dass dei­ne Wie­se nur ein win­zi­ges Stück der Ober­flä­che einer rie­si­gen Kugel, dei­nes Pla­ne­ten ist, aus dem dein Leben hervorgeht.

Mit dei­nem Füh­len nach innen ent­steht in dir ein inne­res Bild von dem Pla­ne­ten, auf dem du dich befin­dest. In einem stil­len Moment wirst du dir gewahr, dass auch die ande­ren Bäu­me, eben­so wie die Wie­se und die Blu­men sich auf die­sem Pla­ne­ten befin­den und ein­zig durch ihn ihr Leben haben. Ein bis­lang unge­wohn­tes Gefühl der Ver­bun­den­heit mit den ande­ren Bäu­men, der Wie­se und den Blu­men ent­steht in dir. Du ver­spürst den Wunsch mit den ande­ren Bäu­men über dei­ne neue Wahr­neh­mung zu spre­chen. Eini­ge sind durch dei­ne Wor­te inspi­riert und begin­nen selbst nach innen zu füh­len. Für die meis­ten jedoch ist das gewohn­te Betrach­ten der äuße­ren Din­ge und das Nach­den­ken über die­se anziehender.

Da du wei­ter nach Innen fühlst und dei­ne inne­re Schau des Pla­ne­ten und dein Spü­ren der Ver­bun­den­heit alles Lebens zunimmt, wird die Emp­fin­dung des Strö­mens in dir fei­ner und fei­ner und du ahnst, dass dein inne­res Erken­nen über den Pla­ne­ten hin­aus­ge­hen könn­te. Du fragst die Stim­me und sie bestä­tigt dei­ne Ahnung: „Ja, der Pla­net, auf dem du bist, befin­det sich selbst inmit­ten einer Unend­lich­keit an Pla­ne­ten, Ster­nen und Son­nen. Die Akti­vi­tät der Erde, das Strö­men des Lebens der Erde, dass du in dei­nem Stamm, dei­nen Ästen und dei­nen Blät­tern spürst, ist in Wirk­lich­keit die Akti­vi­tät der Unend­lich­keit des Kos­mos, der eine unend­li­che Anzahl von Pla­ne­ten Ster­nen und Son­ne umschließt und eben­so deren Leben ist.

Unend­lich­keit“ wie­der­holst du still im Inne­ren, „ja es ist Unend­lich­keit, was ich nun zu spü­ren begin­ne.“ Da du wei­ter nach innen fühlst, spürst du mehr und mehr die Unend­lich­keit des Kos­mos und du beginnst im Inne­ren die herr­li­che Welt des Kos­mos zu erbli­cken. Ster­ne, Pla­ne­ten, Milch­stra­ßen, Gala­xien – wei­ter und wei­ter und wei­ter, unend­lich und unbe­grenzt. Ein groß­ar­ti­ges Gefühl immenser Frei­heit ist nun dein. Häu­fig ver­lierst du das Gefühl, ein Baum zu sein und auch das Bild dei­nes Pla­ne­ten und das Füh­len der Ver­bun­den­heit mit allem Leben des Pla­ne­ten scheint zu verschwinden.

Manch­mal scheint selbst die Erfah­rung des Strö­mens und Flie­ßens zu ent­schwin­den und nur die Prä­senz einer immensen Stille bleibt. Du fragst die Stim­me, was es mit jener Stille auf sich hat. Die Stim­me antwortet: 

Ich bin die Stille. Wenn du nach innen fühlst, fühlst du hin zu mir. Fah­re fort nach Innen zu füh­len, durch­que­re dei­nen Pla­ne­ten und las­se all dei­ne Erfah­rung auf dem Pla­ne­ten hin­ter dir. Durch­que­re den Kos­mos und las­se all sei­ne Herr­lich­kei­ten hin­ter dir. Ich lade dich ein: Kom­me zu mir. Gehe ganz in mich ein.“

Plötz­lich steigt in dir ein Unbe­ha­gen auf. Du möch­test die Gesprä­che mit den ande­ren Bäu­men, du möch­test die Welt der äußern Erfah­rung mit all ihren Wor­ten und Begrif­fen und vor allem möch­test du die Erfah­rung der inni­gen Freund­schaft mit jenen der Bäu­me, die wie du so ger­ne die inne­re Welt erfah­ren, nicht hin­ter dir las­sen. Auch ent­steht in dir das Gefühl, dass du selbst ver­schwin­den wirst, wenn du der Ein­la­dung folgst und dich gänz­lich zur Stille begibst. Du bist dir auch nicht sicher, ob du, so du gänz­lich zur Stille gehst, noch wei­ter­hin die Stim­me, die dich bis­her lei­te­te, ver­neh­men wirst.

Du wen­dest dich an die Stim­me und teilst ihr mit, dass es dir schwer­fällt, dei­ne gewohn­te Welt und all ihrer Erfah­rung zurück­zu­las­sen. Du war­test gedul­dig auf die Ant­wort der Stim­me. Du fühlst dich zu dem Ort hin­ge­zo­gen, aus dem die Stim­me zu kom­men scheint – du liebst aber auch die Welt dei­ner Erfah­run­gen. In einer bestimm­ten zeit­lo­sen Sekun­de, in einem win­zi­gen Augen­blick, nimmst du die Ein­la­dung der Stille an. Die Welt, wie du sie kann­test, hört auf zu sein. Es ist, als ob kein Schau­en, kein Wahr­neh­men, kein Erfah­ren mehr mög­lich ist. 

Jedoch ver­nimmst du die Stim­me: „Ich bin die Quel­le allen Seins; ich bin die Quel­le der Unend­lich­keit des Kos­mos; in bin die Quel­le allen Lebens; ich bin die Quel­le der Bäu­me, der Baum­stäm­me, der Äste, der Blät­ter und der Früch­te. Ich bin all dies und unend­lich mehr. Und du bist, was ich bin. Ich-bin ist mein Name und es ist nun dein Name. Du bist nun die Stim­me, die Ich bin. Du bist und trägst den Namen des Namen­lo­sen, den Namen der Stille. Der Name der Stille, dein Name, offen­bart ewig­lich alles, was ist.Ich-bin ist das Sehen, das Hören, Ich-bin ist alles Wahrnehmen. 

Ich-bin ist das Schau­en nach außen und das Füh­len nach innen. Ich-bin ist die Sehn­sucht und die Erfül­lung. Ich-bin ist die Suche und das Fin­den. Ich-bin ist rei­nes Erfah­ren. Ich-bin ist rei­nes Füh­len.Ich-bin ist rei­nes Gewah­ren. Ich-bin ist rei­nes Lau­schen. Ich-bin ist rei­nes Wis­sen.Ich bin Stille, das Namen­lo­se, alles seiend.

Du ruhst. Du bist still. Du bist die Ruhe, du bist die Stille. Du bist Ich-bin. Du bist, was Stille ist. Stille ist dein Sein, das Sein von allen und allem. Ein­zig Stille ist – alles seiend.

Lasst uns eini­ge Minu­ten im Geist die­ser Geschich­te verweilen.
~

Als ich ges­tern Geschich­te schrieb, ist mir auf­ge­fal­len, dass sie nicht nur den schein­bar in der Zeit statt­fin­den­den Pro­zess des Erwa­chens beschreibt, nicht nur den Beginn und das Ende der Suche, son­dern auch die Pra­xis – die Pra­xis der Gegen­wart Got­tes, die Pra­xis der Stille, die Pra­xis der Meditation.

Im Schau­en, im Füh­len nach innen gehen wir tie­fer und tie­fer. Wir sind bereit, die Welt der Erfah­run­gen der Ober­flä­che hin­ter uns zu las­sen. Und wir sind bereit, die Welt der inne­ren Erfah­run­gen hin­ter uns zu las­sen. Wir lie­ben die Stille. Wir lie­ben, das was, kein Gegen­stand der Erfah­rung ist. Es ist jene Stille, die uns von Beginn an geru­fen hat, die uns inspi­rier­te, nach innen zu schau­en, nach innen zu füh­len, zu Stille hin­zu­füh­len. Sie möch­te unse­re gan­ze Auf­merk­sam­keit, unser gan­zes Sein, unser gan­zes Lau­schen. Und an einen Punkt in der Medi­ta­ti­on, beginnt Stille zu spre­chen. Es sind nicht wirk­lich Wor­te, obwohl auch dies mög­lich ist. Es ist viel­mehr das Erle­ben: Nicht ich, ein schein­ba­res Wesen an der Ober­flä­che des Seins lebe, son­dern Ich, Stille, lebe. Ich, Stille, lebe als mein Leben, lebe das Leben von allen und allem. Ich bin Stille, alles Leben seiend.

Dies ist das „Kli­cken“, das „Ein­ras­ten“ von dem Joel Golds­mith gespro­chen hat. Es ist ein Sich-Umdre­hen unse­rer Wahr­neh­mung. Wir schau­en nun das Reich der Stille. Nicht wir, das Wesen der Ober­flä­che, schaut das Reich der Stille. Wir,Stille, schau­en. Wir, Stille, schau­en unser Reich. Und wir schaue unser Reich auch, da wir die Augen öff­nen – da wir uns der Prä­senz und der Akti­vi­tät von Stille bewusst blei­ben. Dies geschieht dadurch, das wir, wäh­rend die Wahr­neh­mun­gen gesche­hen, mehr an der Prä­senz der Stille inter­es­siert sind, als an den Objek­ten der Wahr­neh­mung als sol­chen, ver­ste­hend, dass alles der Wahr­neh­mung nicht als sol­ches besteht, son­dern die objekt­haf­te Dar­stel­lung von Stille ist. Ja, die Dar­stel­lung mag ver­zerrt erschei­nen. Sie mag behaup­ten, ich bin ich selbst, ein Wesen der Ober­flä­che, gebo­ren an der Ober­flä­che. Doch wir wis­sen, dass alles – Augen­blick um Augen­blick – aus Stille gebo­ren wird. Jeder Augen­blick ist die Ganz­heit von Stille, die Unend­lich­keit, die Unbe­grenzt­heit von Stille, jener Augen­blick seiend.

In die­ser Wei­se, in die­sem leben­di­gen Erle­ben, regie­ren wir unser Reich. Wir regie­ren unser Reich, indem wir nicht auf die Erschei­nun­gen der Welt als sol­che reagie­ren. Wir las­sen die Tie­fe unse­res Seins unse­re Wor­te und unse­re Hand­lun­gen sein. Dies ist das leben­di­ge Gesche­hen des­sen, was wir sind. Dies ist das Leben von Ich-bin. Ich-bin reicht in die unend­li­che Tie­fe unse­res Seins und gestal­tet sich aus dem Unend­li­chen her­aus als unse­re Erfah­run­gen des All­tags. Ich-bin ist das Gesche­hen unse­res Seins. Ich-bin ist das „Wort“, wel­ches „Fleisch“ ist. Ich-bin ist das Nicht-Kör­per­haf­te, wel­che sich kör­per­haft offenbart.

Im rei­nen Gesche­hen, im rei­nen Erfah­ren von Ich-bin gibt es kein Fest­hal­ten, kein Anhal­ten, kein Wer­den, kein Müs­sen, kein Sol­len. Alles Müs­sen, alles Sol­len sind Gedan­ken zu einer Welt, die gegen­ständ­lich erscheint, zu einer Welt, in der die Objek­te der Erfah­rung als sol­che anzie­hend zu sein schei­nen, wäh­rend es doch die Unend­lich­keit von Stille ist, aus der alles Leben und alles Erfah­ren ist.

So kön­nen wir uns in der Medi­ta­ti­on unse­res Rei­ches so bewusst wer­den, wie es tat­säch­lich ist. Das Licht der Stille erleuch­tet unse­ren Geist und unse­ren Kör­per. Die Lie­be der Stille öff­net unser Herz. Und wir ste­hen auf und geben unserer Welt das Licht und die Lie­be der Stille, der Quel­le allen Seins.

Lasst uns noch eine Wei­le still mit­ein­an­der sitzen. 


~



Zulas­sen

Auf Grund­la­ge der Sonn­tags­grup­pe vom 13.10.2019 im Zyklus „Stille ist


Stille ist.

Die Unend­lich­keit und Unbe­grenzt­heit unse­res Seins ist,

und ist bereits alles unse­res Seins,

Augen­blick für Augenblick.

Stille ist Licht und Liebe.

So lasst uns zutiefst vertrauen,

dass das Licht und die Lie­be der Stille zuge­gen ist,

um uns ihr Wir­ken zu offenbaren,

Augen­blick um Augenblick.


(Eini­ge Minu­ten stil­les Gewahren)


Das Wir­ken von Stille als alles unse­res Seins zu erle­ben, ist ein­fa­cher als jede mensch­li­che Auf­fas­sung von Ein­fach­heit. Stille ist, was bereits als alles unse­res Seins geschieht. Stille hält nichts zurück, gleich der Son­ne, die ihre Strah­len nicht zurück­hält. Stille, die Quel­le unse­res Seins, ver­mag ihr Wir­ken nicht zurückzuhalten.

Was ist unse­re Auf­ga­be in die­sem Gesche­hen? Was macht das unmit­tel­ba­re Füh­len des Wir­kens der Stille und das Ler­nen, in und aus der Prä­senz der Stille, zu leben, so ein­fach? Es ist ein­zig eine Hal­tung. Es ist die Hal­tung des bewuss­ten Zulas­sens. Da die Prä­senz der Stille bereits alles ist, was ist, bedarf sie nicht unse­res Zutuns. Das Wir­ken der Stille ist Gna­de. Gna­de ist das, was bereits ist und daher umsonst zuge­gen ist. Es bedarf kei­nes Tuns, um das Wir­ken der Gna­de, das Wir­ken der Stille, zu erle­ben. Wir müs­sen ledig­lich die Hal­tung fin­den, die die­ses Erle­ben ermög­licht. Es ist die glei­che „Hal­tung“, die Stille – oder in unse­rem Bild die Son­ne – selbst ist und hat. Wenn wir Stille oder der Son­ne eine Hal­tung zuspre­chen wür­den, könn­ten wir sagen, es ist ein­zig eine Hal­tung des Zulas­sens. Die Son­ne lässt ihr Strah­len ein­fach zu. Nie­mals käme sie auf die Idee, dies tun zu müs­sen. Sie käme auch nie­mals auf die Idee, für ein bestimm­tes Ziel zu strah­len oder dafür, dass sie durch ihr Strah­len etwas zurück­be­kommt. Nein, die Son­ne lässt ihr Strah­len, lässt ihr Licht, lässt ihre Wär­me ein­fach nur zu. Und die­se Hal­tung des Zulas­sens ist der natür­li­che Zustand des Seins. Es ist der ein­zi­ge Zustand, der kei­ner Anstren­gung bedarf und der – wir mögen es glau­ben oder nicht – auch kei­ner per­sön­li­chen Anstren­gung bedarf, um auf­recht­erhal­ten zu wer­den. Wir kön­nen das Strah­len der Son­ne nicht auf­hal­ten. In glei­cher Wei­se kön­nen wir auch das Strah­len der Lie­be und des Lich­tes der Quel­le allen Seins, die Lie­be und das Licht der Stille, nicht auf­hal­ten. Und da nichts das Wir­ken von Stille auf­hal­ten kann, ist die Idee das Wir­ken der Stille mit­tels einer per­sön­li­chen Anstren­gung auf­recht­zu­er­hal­ten zu müs­sen, natür­lich unsinnig.

Wie fin­den wir die Hal­tung des Zulas­sens? Fin­den wir sie aus „uns selbst“ her­aus – aus der Vor­stel­lung, ein getrenn­tes Wesen zu sein, das erst etwas tun muss, damit das Licht und die Lie­be der Quel­le unse­res Seins spür­bar ist? Da ein­zig Stille ist und Stille all­ge­gen­wär­tig ist– wo könn­te ein sol­ches, sepa­ra­tes Wesen sein? Es ist ledig­lich die Annah­me ein sol­ches sepa­ra­tes Wesen zu sein, wel­che mit der wei­te­ren Annah­me ein­her­geht, nun etwas tun zu müs­sen, um die Freu­de, die Fül­le, die Ganz­heit und Voll­stän­dig­keit unse­res Seins zu erleben.

Der„neue Wein“, von dem Jesus gespro­chen hat, das leben­di­ge Strö­men des Lich­tes und der Lie­be der Stille in uns, strömt nicht durch die „alten Schläu­che“1. Das leben­di­ge Was­ser fließt nicht durch die Vor­stel­lung, ein bedürf­ti­ges sepa­ra­tes Selbst zu sein, das aus eige­ner Kraft etwas tun muss, um sei­ne Fül­le zu erle­ben. Das leben­di­ge Was­ser strömt und strömt – gänz­lich unab­hän­gig von jeder Idee eines getrenn­ten Seins!

Wenn wir uns an den ers­ten Impuls zurück­er­in­nern, ein Buch in die Hand zuneh­men oder einen Vor­trag zu hören, in dem davon gespro­chen wird, dass Stille bereits alles ist, was ist und Stille sich als die Fül­le und Voll­kom­men­heit indi­vi­du­el­len Seins aus­drü­cken möch­te – woher kam dann die­ser Impuls? Woher kam der Impuls unse­ren Geist von solch einer Wahr­heit beflü­geln und unser Herz von solch einer Wahr­heit berüh­ren zu las­sen? Kam er aus der Annah­me, ein sepa­ra­tes Selbst zu sein? Oder kam der Impuls aus der Wirk­lich­keit, aus der Quel­le, unse­res Seins? Konn­ten wir uns als ein sepa­ra­tes Selbst ent­schei­den, uns nun auf den soge­nann­ten spi­ri­tu­el­len Weg zu bege­ben? War es nicht viel mehr die bereits vor­han­de­ne Wahr­heit in uns, die sich unse­rem bewuss­ten Gewahr­sein bemerk­bar machte?

Wer oder was ver­rich­tet also die Arbeit? Ist es nicht das Wir­ken, die Akti­vi­tät, die Intel­li­genz, das Licht, die Lie­be der Quel­le? Ist es nicht gött­li­ches Gesche­hen? Und ist dies nicht das ein­zi­ge tat­säch­li­che Gesche­hen? Und ist es nicht ein Gesche­hen, wel­ches sich selbst zulässt? Ein jeder und eine jede von uns sind gänz­lich in, aus und durch die­ses Gesche­hen; ja, wir sind die­ses eine Gesche­hen – wir sind Stille uns sei­end. Wie schwie­rig ist es also, das, wor­in wir sind, wor­aus wir sind und wodurch wir sind; wie schwie­rig ist es die Wahr­heit des­sen, was wir sind ein­fach zuzulassen?

Ja, es bedarf der Gewöh­nung, das Wir­ken der Gna­de zuzu­las­sen. (Gna­de ist das, was bereits und völ­lig umsonst zuge­gen ist.) Zu stark ist die Kon­di­tio­nie­rung, hier­für etwas tun zu müs­sen. Und so kön­nen wir sagen, wir üben uns im Zulas­sen. Wir üben uns in der Zusi­che­rung zu ruhen, dass Stille bereits ist. Wir üben uns dar­in, dem Wir­ken des Lich­tes und der Lie­be unse­rer Quel­le ein­fach zu gewah­ren, statt zu ver­su­chen, die Quel­le zu errei­chen und etwas von der Quel­le zu bekom­men. Wie könn­ten wir ver­su­chen, das zu bekom­men, was bereits gänz­lich unser ist?

Die Hal­tung des Zulas­sens kön­nen wir als eine Hal­tung des Raum-Gebens beschrei­ben. Wir geben dem Wir­ken der Stille allen Raum. Wir kön­nen auch sagen, dass wir dem Wir­ken der Stille allen Raum las­sen.

Hier­durch füh­len wir, wie das Licht und die Lie­be der Stille Raum ein­nimmt, unse­ren Geist erleuch­tet unser Herz erwärmt und unse­ren Kör­per für ihr Wir­ken öff­net, sodass unser Sein ein Durch­lass für das Wir­ken der Gna­de sein kann. Stille ist bereits voll­stän­dig in sich selbst. Die Akti­vi­tät der Stille, das Strö­men des Lich­tes und der Lie­be, möch­te sich jedoch als indi­vi­du­el­les Erfah­ren ihrer selb­st offen­ba­ren. Es ist der Wunsch der Quel­le nach ihrer Selbst­of­fen­ba­rung, den wir als die Inspi­ra­ti­on füh­len, die­sem Gesche­hen in uns allen Raum zur Ver­fü­gung zu stel­len. Es ist ein­zig das Wir­ken der Stille in und als uns, wel­ches die Arbeit ver­rich­tet. Es ist Stille selbst, die ihr indi­vi­du­el­les Sein als „du“ und „ich“ Augen­blick für Augen­blick offen­bart. Was kön­nen oder müs­sen wir hier­für tun? Nichts – wir las­sen zu. Was macht es uns mög­lich zuzu­las­sen? Stille, Lie­be, Licht selbst. Unse­re Lie­be zur Wirk­lich­keit ist ein­zig die Lie­be der Wirk­lich­keit, die Lie­be der Stille, und ihr Wunsch nach Selbstoffenbarung.

(Eini­ge Minu­ten stil­len Gewahrens)

Die Pra­xis der Stille ist eine Pra­xis des Zulas­sens, des Gewah­rens, des sanf­ten Lau­schens, des nach Innen-Schauens.

Kön­nen wir aus einer Hal­tung, deren Grund­an­nah­me es ist, ein sepa­ra­tes Selbst zu sein, wirk­lich nach innen schau­en? Wenn wir es aus die­ser Hal­tung her­aus ver­su­chen, ist es dann nicht so, dass wir anneh­men, uns im Man­gel zu befin­den? Glau­ben wir dann nicht, dass wir, wenn wir nur erfolg­reich „in die Stille gehen“, von dort die Fül­le unse­res Seins für uns per­sön­lich zu erhal­ten? Dies ist nicht das Schau­en nach innen. Dies ist ein Tun und kein ein­fa­ches Gewah­ren, kein Lau­schen, kein Zulassen.

Die Hal­tung des Zulas­sens hin­ge­gen ist auf der Annah­me gegrün­det, dass Stille bereits gänz­lich zuge­gen ist. Zulas­sen geht mit stil­lem Gewah­ren und Lau­schen ein­her – und dies ist die Innen­schau! Es ist die Wei­se, wie wir es der Lie­be und dem Licht der Quel­le, der Lie­be der Stille gestat­ten, ihre For­men der Fül­le als unser und aller indi­vi­du­el­les, irdi­sches Erfah­ren zu offenbaren.

Da wir das Wir­ken Got­tes zulas­sen, las­sen wir das Wir­ken Got­tes für alle und für alles zu. Es ist eine gro­ße Freu­de uns in die­ser Hal­tung und in die­ser Funk­ti­on vor­zu­fin­den. Es ist wah­re Freu­de. Unser Emp­fin­den ist: Ja, ich bin nun zu Hau­se und befin­de mich in mei­ner wah­ren Posi­ti­on und mei­ner wah­ren Funk­ti­on. Bin ich per­sön­lich ver­ant­wort­lich, wie sich die­se Funk­ti­on gestal­tet, Tag für Tag, Stun­de für Stun­de, Minu­te für Minu­te? Nein, ich las­se zu.

Ich rei­be mir die Augen und erken­ne, was wirk­lich ist: Ein­zig Stille ist, ein­zig Gott ist. Und Stille, Gott, ist all mein Sein und das Sein aller.

Die Lie­be Got­tes ist uner­mess­lich grö­ßer, als alle schein­bar mensch­li­che Lie­be, die wir erfah­ren kön­nen. Das Füh­len der Frei­heit, die uns aus der Quel­le unse­res Seins zuteil wird, ist uner­mess­lich grö­ßer, als jede schein­bar mensch­li­che Frei­heit, die wir je erfah­ren kön­nen. Gewiss, wir müs­sen uns an wah­re Lie­be und wah­re Frei­heit gewöhnen.

Wir spü­ren, wie wir der wah­ren Grö­ße unse­res Seins immer mehr Raum geben, immer mehr Raum las­sen kön­nen. Dies geschieht nicht durch die schein­ba­re Anstren­gung eines per­sön­li­chen Selbst, son­dern durch die Lie­be und das Licht der Stille in, als und durch uns. Und je mehr wir Raum geben, je mehr wir Raum las­sen, des­to mehr erle­ben wir die Ein­fach­heit die­ser, unse­rer natür­li­chen Haltung.

Die „alten Schläu­che“ bil­den für die Lie­be und das Licht der Stille kei­nen Durch­lass. Mit den alten Schläu­chen glaub­ten wir die Wahr­heit selbst auf­neh­men zu müs­sen, so als ob wir ein dich­ter Behäl­ter sei­en. Nein, der neue Wein, das leben­di­ge Was­ser fließt als, in und durch uns. Wir sind ein Durch­lass und kein Behäl­ter. Und es ist das Flie­ßen des leben­di­gen Was­sers2, das Strö­men des Lich­tes und der Lie­be der Quel­le, wel­ches uns die Erfah­rung des Zulas­sens, des Nicht-Fest­hal­tens, des Frei­ge­bens gibt. Unse­re Hal­tung des Zulas­sens ermög­licht es Stille, der Quel­le allen Seins, Augen­blick für Augen­blick, die bewuss­te, indi­vi­du­el­ler Erfah­rung ihrer selbst zu sein. Jedes Detail und jede Nuan­ce unse­res Erfah­rens ist bereits die Quel­le, ist Stille, unmit­tel­bar genau die­se Nuan­ce und die­ses Detail sei­end. Durch die Hal­tung des Zulas­sens öff­net sich jeder Augen­blick des Erfah­rens und offen­bart mühe­los die Fül­le unse­res Seins.

1 Vgl. Lukas 5,37

2 Vgl. Johan­nes 4,14

~




Das pfad­lo­se Land der Wirklichkeit

Edi­tier­tes Tran­skript der Sonn­tags­grup­pe vom 27.10.2019



Stille ist allgegenwärtig.

Wir befin­den uns im Oze­an der Stille.

Stille ist immer zugegen,

immer genau dort,

wo ein jeder und eine jede von uns ist,

in jedem Augen­blick des Erfahrens.


Stille ist gänz­lich und unun­ter­bro­chen für uns da.


Stille ist Gnade.

Gna­de bedeu­tet das, was bereits zuge­gen ist

und was umsonst zuge­gen ist.

Gna­de ist das, wofür wir nichts tun müssen.

Stille ist die Gna­de unse­res Seins.

(Eini­ge Minu­ten stil­len Gewahrens) 

Wenn wir einen Vor­trag oder ein Semi­nar besu­chen, kön­nen wir häu­fig erle­ben, dass wir gefragt wer­den, wie lan­ge wir schon auf „Weg“ sind. Und wir haben hier­bei nor­ma­ler­wei­se die Vor­stel­lung eines Weges, der von hier nach dort geht. Spi­ri­tu­el­le Leh­ren kön­nen den Anschein erwe­cken, etwas errei­chen zu kön­nen oder zu müs­sen. So gibt es in uns das Mus­ter des Errei­chen-Wol­lens, wel­ches wir für lan­ge Zeit gar nicht bemer­ken. Wir wol­len Wahr­heit auf die­sel­be Wei­se errei­chen, wie wir in der Schu­le ein bestimm­tes Wis­sen erwer­ben woll­ten oder soll­ten, genau­so wie wir gute Noten errei­chen woll­ten, so wie wir den Ver­glei­chen mit unse­ren Mit­schü­lern stand­hal­ten woll­ten und so wie wir unse­re Leh­rer und Eltern zufrie­den­stel­len wollten.

Mit dem spi­ri­tu­el­len Weg ver­hält es sich jedoch ganz anders.Der spi­ri­tu­el­le Weg ist kein Pro­zess. Im neu­en Heft Eins­Sein1, wel­ches wir nächs­te Woche bekom­men, betont Paul dies ganz deut­lich. Er sagt, dass nicht eine Sei­te des Mira­cle Self uns Anwei­sun­gen für einen Pro­zess gibt. Er sagt auch: „Es gibt kei­nen Weg.“ Jid­du Krish­na­mur­ti for­mu­lier­te die glei­che Wahr­heit mit sei­ner bekann­ten Aus­sa­ge: „Wahr­heit ist ein pfad­lo­ses Land.“

Ja, die Wahr­heit ist ein Land. Die Wahr­heit ist der Him­mel. Die Wahr­heit ist die all­ge­gen­wär­ti­ge Prä­senz und Akti­vi­tät von Stille, der Quel­le allen Seins. Stille ist all­ge­gen­wär­tig. „Wo“, fragt Paul in dem Text, „könn­te daher ein Weg sein“, wenn es ein­zig die eine, rei­ne, voll­stän­di­ge Prä­senz gibt, wel­che „all­ge­gen­wär­tig an jedem Punkt der Unend­lich­keit zur glei­chen Zeit“ ist? Und wir sind die All­ge­gen­wart der Stille uns sei­end, was bedeu­tet, dass unser Erfah­ren jedes Augen­bli­ckes aus Stille ist und daher nichts ande­res als Stille selbst ist. Doch die unge­prüf­te Annah­me, Stille errei­chen zu müs­sen, ver­schafft uns den Ein­druck, nicht aus Stille zu sein.

Vie­le von uns haben die Fra­ge: Wie kann das Erle­ben der Prä­senz, der Wirk­lich­keit des Seins, unun­ter­bro­chen mit uns sein?

Wenn wir mit gro­ßer Klar­heit rea­li­sie­ren, dass Stille die Quel­le unse­res Seins ist, ist Stille in unse­rer bewuss­ten Erfah­rung nie­mals mehr abwe­send. Wie gelan­gen wir nun zu einer deut­li­che­ren, kla­re­ren Rea­li­sa­ti­on von Stille als unse­rer Quelle?

In einem Semi­nar vor eini­gen Mona­ten war uns das Gleich­nis eines Kon­zert­hau­ses, wel­ches wir besu­chen, dien­lich. Wenn wir von der Stra­ße in das Kon­zert­haus kom­men, bege­ben uns zunächst ins Foy­er. Im Foy­er ist schon eine fei­er­li­che, ange­neh­me Atmo­sphä­re zuge­gen. Alle tra­gen schö­ne Klei­dung, alle sind in freu­di­ger Erwar­tung. Wir lesen im Pro­gramm­heft über die Stü­cke, die dort beschrie­ben sind. Die Atmo­sphä­re im Foy­er unter­schei­det sich schon deut­lich von der Atmo­sphä­re auf der Stra­ße: All die Tur­bu­len­zen, die es auf der Stra­ße gibt, sind hier nicht. Das Kon­zert jedoch, fin­det nicht im Foy­er, son­dern im Kon­zert­saal statt.

Wir ver­las­sen wir das Foy­er und betre­ten den Kon­zert­saal. Dort lau­schen wir still dem Kon­zert. Das Kon­zert selbst ist natür­lich von ganz ande­rer Natur als sei­ne Beschrei­bung und als alles, was wir im Foy­er erlebt haben.

Was bedeu­tet die­ses Gleich­nis für unse­re spi­ri­tu­el­le Pra­xis, für die Pra­xis der Stille?

Zunächst befin­den wir uns auf der Stra­ße. Die „Stra­ße“ steht für den ganz nor­ma­len All­tag, in dem wir uns vor­fin­den. In uns mel­det sich der Wunsch, dem Tru­bel, dem Auf und Ab, dem Hin und Her ent­flie­hen zu wol­len, uns dar­aus erhe­ben zu wol­len, um einen natür­li­chen Zustand der Aus­ge­gli­chen­heit, der Ruhe, der völ­li­gen Zufrie­den­heit zu fin­den. Wir fol­gen den Emp­feh­lun­gen und Hin­wei­sen, die wir erhal­ten. Wir hören oder lesen die Wor­te, die auf die Wirk­lich­keit ver­wei­sen. Wir fan­gen an zu kon­templie­ren oder zu medi­tie­ren und begin­nen die Atmo­sphä­re der Wirk­lich­keit zu spü­ren. Eine Atmo­sphä­re des Frie­dens stellt sich ein. Sie scheint über­all im Raum zu sein; sie umhüllt uns, berührt uns. Sie bringt uns wie­der zum Schwin­gen und lässt uns wis­sen: Ja, so ist es rich­tig. So füh­le ich mich wie­der erneu­ert. So füh­le ich mich wie­der ganz an. Wenn wir die­sen Zustand des Füh­lens der Atmo­sphä­re (das Foy­er) ver­las­sen, wenn wir uns erhe­ben und wie­der in den All­tag (auf die Stra­ße) gehen, scheint die­ser Zustand nicht zu anzu­dau­ern. Wir erle­ben schein­bar die glei­chen Tur­bu­len­zen wie vorher.

Die Atmo­sphä­re der Prä­senz der Wirk­lich­keit dient dazu, uns vor­zu­be­rei­ten. Sie dient dazu, uns mit ihrer Lie­be und Wär­me zu durch­flu­ten, unse­ren Geist und unse­rem Kör­per zu klä­ren und sie durch­läs­sig zu machen. Und doch ist es bereits Wahr­heit, deren Wir­ken wir füh­len und die wir in uns wir­ken las­sen. Sie möch­te jedoch wei­ter und wei­ter wirken.

Was möch­te die Wahr­heit bewir­ken? Sie bewirkt die Erkennt­nis unse­rer wah­ren Natur. Sie bewirkt die Erkennt­nis, dass wir voll­kom­men „leer“, dass wir gänz­lich ein Nichts an per­sön­li­chem Selbst sind. Hier müs­sen wir sehr vor­sich­tig sein: Was bedeu­tet es, wahr­haft leer zu sein, wahr­haft ein Nichts zu sein? Der eng­li­sche Begriff für „nichts“ ist „not­hing“, „no thing“. Es bedeu­tet, dass unse­re wah­re Natur kein Ding, kein Etwas ist. Sie ist nicht ding­haft. Und es ist die Erkennt­nis unse­rer Nicht-Ding­haf­tig­keit, die uns Ein­tritt in den Kon­zert­saal gewährt.

Im Kon­zert­saal, in der wah­ren Stille unse­res Seins, erle­ben wir die Welt, wie sie ist: nicht ding­haft (no thing). Im Foy­er wur­de das Kon­zert, das uns erwar­tet, beschrie­ben. Sobald wir jedoch den Kon­zert­saal betre­ten, sobald wir die wah­re Stille unse­res Seins „betre­ten“, ent­schwin­det alle Beschrei­bung. Es wird offen­bar, dass Stille, dass das Nichts an per­sön­li­chem Selbst, unser wah­res Sein aus­macht. Gott hat sei­ne Erde, sei­ne Erfah­rung, „über dem Nichts“ auf­ge­hängt2, in Stille, in wah­re Stille. Aus Stille ist all unser Erfah­ren. So wir dies erken­nen, erle­ben wir die Wahr­heit der Aus­sa­ge: „Ich und der Vater sind eins“, „doch der Vater ist grö­ßer als ich.“3 Stille ist stets „eins“ mit allem Erfah­ren jedoch auch „grö­ßer“ als alles Erfah­ren, denn Stille ist die Quel­le allen Erfahrens.

Wir müs­sen uns dar­an gewöh­nen, an dem Ort des Nicht-Seins zu ver­wei­len. Paul sag­te häu­fig: „God abhors a vacu­um“ – Gott ver­ab­scheut ein Vaku­um. In dem Augen­blick, da wir erken­nen, dass wir ein Nichts an per­sön­li­chem Selbst sind, begin­nen wir die Fül­le unse­res wah­ren Selbst zu erle­ben. Wir erle­ben die Fül­le von Stille, uns sei­end. Und das Erle­ben der Fül­le von Stille, uns sei­end, formt sich Augen­blick für Augen­blick in die Erfah­rung eines erfüll­ten, irdi­schen Lebens. Kom­men wir zu unse­rer Fest­stel­lung zurück, dass der spi­ri­tu­el­le Weg kein Pro­zess ist. Wir sind bereits Stille, uns sei­end. Wir sind bereits kein per­sön­li­ches Selbst. Wenn wir die Beschrei­bun­gen im „Foy­er“ sehr deut­lich lesen, begeg­nen wir einer Wahr­heit über­all: Ein­zig Gott ist. Ein­zig Stille ist. Daher gibt es kei­nen Platz für ein wei­te­res, ein per­sön­li­ches Sein.

Was tun wir also, da wir den Kon­zert­saal betre­ten? Wir lau­schen dem Kon­zert. Wir las­sen das Kon­zert ein­fach zu. Und natür­lich ist der Kon­zert­saal das ein­zi­ge, was ist. Die Fül­le unse­res wah­ren Selbst ist immer und über­all zuge­gen und spielt das herr­li­che Kon­zert ihrer Har­mo­nien. Und es ist kein per­sön­li­ches Selbst zuge­gen, wel­ches das Kon­zert anhal­ten könn­te. Das Kon­zert klingt und klingt, ohne jemals auf­zu­hö­ren. Und wir sind der Gast, der Besu­cher des Kon­zer­tes – und lau­schen. Dies ist die Pra­xis der Stille. Dies ist die Pra­xis der Gegen­wart Got­tes. Es ist das Lau­schen, das Gewah­ren des­sen, was bereits ist und das Bezeu­gen der Har­mo­nien, der Fein­hei­ten, der Nuan­cen, der Details, des Über­flie­ßens, des stän­di­gen Sich-Erneu­erns, des stän­di­gen Aus-sich-selbst-Schöp­fens der Wirk­lich­keit, die bereits ist.

Das Erle­ben des „Kon­zer­tes“ der Wirk­lich­keit mag immer wie­der einer Vor­be­rei­tung oder Ein­stim­mung bedür­fen. Zunächst klop­fen wir uns den Staub von der Stra­ßen­klei­dung, bege­ben uns ins Foy­er und spü­ren die Atmo­sphä­re der Wirk­lich­keit. Im Spü­ren der Atmo­sphä­re der Wirk­lich­keit erle­ben wir immer deut­li­cher, dass wir ein Nichts an per­sön­li­chem Selbst sind, ein rei­ner Durch­lass – das „Fens­ter des Him­mels“. Dann befin­den wir uns im Kon­zert­saal und erle­ben die Wirk­lich­keit unse­res Seins – Stille uns, alle und alles sei­end, sich ent­fal­tend als jeder Augen­blick des Erfahrens.

Stille bedeu­tet nicht die Abwe­sen­heit von Gedan­ken, Geräu­schen, oder Emp­fin­dun­gen. Stille ist die Abwe­sen­heit der Vor­stel­lung, ein getrenn­tes Selbst zu sein und daher die bewusst erfah­re­ne Anwe­sen­heit der Wirk­lich­keit, wie sie ist.

Stille, uns und unser Erfah­ren sei­end, ist tat­säch­lich unser natür­li­cher Zustand – unser natür­li­ches Sein, das bereits gege­ben ist und daher weder erreicht wer­den kann, noch erreicht wer­den muss. Wir ler­nen jedoch unse­rer wah­ren Natur zu lau­schen, sie zu gewah­ren, sie zu ehren und zu lieben.

Was war jener Impuls, der sich auf der Stra­ße in uns bemerk­bar gemacht hat? Was war jener Wunsch, Stille zu fin­den? Was war die Sehn­sucht, die Wahr­heit unse­res Seins zu erkennen?

Es war der Ruf der Stille, der Ruf der Wirk­lich­keit. Es war und ist die Wirk­lich­keit in und als uns. Und wir fol­gen die­sem Ruf. Wir bege­ben uns ins Foy­er, fül­len unse­ren Geist mit den Wor­ten der Wirk­lich­keit. Unser Geist klärt sich und wir betre­ten den Konzertsaal.

Hier lau­schen wir nur. Wir gewöh­nen uns an die Ein­fach­heit des Gewah­rens, des Lau­schens. Unser gan­zes Wesen lernt die Hal­tung des Zulas­sens, des Lau­schens, des Gewah­rens und des Emp­fan­gens – des Emp­fan­gens des Lich­tes und der Lie­be der Stille, des Lich­tes und der Lie­be der Quel­le. Und wir erken­nen immer kla­rer: Es ist die Quel­le, rei­ne Stille, aus der mein Erfah­ren ist und die mein Erfah­ren ist.

Wenn wir uns dann wie­der auf die Stra­ße bege­ben, ist es die­sel­be Stra­ße, der­sel­be All­tag, jedoch ist eine Ver­wand­lung gesche­hen: Wir wis­sen um unse­re wah­re Natur. Das Ver­ste­hen des­sen, was wir sind und was unse­re Welt ist, ist nun in uns und mit uns. Alles, alles des Erfah­rens ist aus der Quel­le, ist aus Stille. Und da ich frei von der Vor­stel­lung, frei von der Illu­si­on bin, ein getrenn­tes Selbst zu sein, ist Stille mein Erfah­ren. Und das Licht und die Lie­be der Stille füh­ren mich. Sie zei­gen den Weg. Sie zei­gen kei­nen Weg, wie Stille erreicht wer­den kann, denn Stille ist bereits mein Sein.

Der Weg der Stille ist das Gewah­ren des­sen, was bereits ist. Es ist der pfad­lo­se Weg im pfad­lo­sen Land der Wirk­lich­keit. Es ist der Weg des ewi­gen Augen­blicks, sich stets neu und frisch als die­ser und die­ser und die­ser Moment des Erfah­rens offenbarend.


1Heft­Eins­Sein, Aus­ga­be 6/2019, ab Sei­te 12: Paul F. Gor­man: Die Kunst des Seins

2vgl.Hiob 26,7

3Johannes10,30 und 14,28



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Das Herz der Stille

Auf Grund­la­ge der Sonn­tags­grup­pe vom 3.11.201im Zyklus „Das Herz der Stille“


Lasst uns die Hal­tung des völ­li­gen Ent­spannt-Seins einnehmen:

 Wir können entspannt sein,
weil Stille bereits ist,
weil die eine Wahrheit bereits ist.

Auf diese Weise entspannt zu sein,

bedeutet nicht in den Traum des menschlichen Geistes einzuschlafen.

Die Liebe zur Wahrheit macht unser Wachsein aus.
Sie ist das Wache in uns,
während wir völlig entspannt sind.

Wahrheit kann nicht erreicht werden.
Wir können Wahrheit nur gewahren.

Wir gewahren Wahrheit mit dem Licht der Wahrheit,
denn Wahrheit ist Licht.

Wir gewahren Wahrheit mit der Liebe zur Wahrheit,
denn Wahrheit ist Liebe.

Und stets ist es Wahrheit selbst,
ist es Liebe selbst,
welche sich liebt.


(Eini­ge Minu­ten des stil­len Gewahrens)

Das Herz der Stille ist das Herz der Wahr­heit. Es ist das Herz der einen Wahr­heit, das Herz des Frei­seins. Und was ist das Herz der Wahr­heit, das Herz des Frei­seins? Es ist das Wis­sen, dass wir bereits frei sind! Nichts an uns ist in irgend­ei­ner Wei­se gebun­den. Alles bewegt sich in Frei­heit. Alles ist das Licht und die Lie­be der Stille,sich selbst als ein jeder Augen­blick des Erfah­rens offen­ba­rend. Und es ist das Licht und die Liebe der Stille, die uns befrei­en. Die uns befrei­en? Wir sind doch frei! Wir befin­den uns im Him­mel, der Unend­lich­keit und Unbe­grenzt­heit des Seins und sind hier frei. Doch das Licht und die Lie­be der Stille befrei­en uns von der kol­lek­ti­ven Vor­stel­lung, dass unser Erfah­ren etwas ande­res als Stille, als die Quel­le, ist oder sein könn­te, in unun­ter­bro­che­ner Offen­ba­rung ihrer selbst als alles unse­res Erfah­rens. Stille offen­bart ihre Wirk­lich­keit als unse­re Wirk­lich­keit. Das Licht und die Lie­be der Stille lässt den Glau­ben an ein Leben abseits des einen Lebens ver­schwin­den.

Wir kön­nen sagen, dass jeder Augen­blick des Erfah­rens – jeder Augen­blick von Stille, uns sei­end – eine Absicht hat. Die Absicht der Stille ist es, stän­dig mehr ihrer selbst, als indi­vi­du­el­les Erfah­ren zu offen­ba­ren. Dies ist, was tat­säch­lich –unge­ach­tet der Inter­pre­ta­tio­nen des mensch­li­chen Geis­tes –geschieht. Augen­blick für Augen­blick möch­te Stille, die Quel­le unse­res Seins, mehr von sich selbst offen­ba­ren. Das Licht und die Lie­be der Stille gibt uns die nöti­ge Ein­sicht, das nöti­ge Ver­ste­hen, wie dies für uns – in unse­rer kon­kre­ten Erfah­rung –gesche­hen kann.

Alles unse­res Erfah­rens ist die eine Wirk­lich­keit. Wir befin­den uns im Him­mel, in Unend­lich­keit, in Frei­heit und da ein­zig Him­mel ist, da ein­zig Stille ist, ist das Ein­zi­ge, des­sen wir gewahr sind und uns gewahr sein kön­nen, der Him­mel. Der Him­mel, die Wirk­lich­keit die­ses und jedes Augen­blicks, ist unser irdi­sches Erfah­ren – bewusst erfah­ren als in, durch und aus Stille sei­end.Hier­mit mei­nen wie nie­mals einen spä­te­ren Augen­blick. Wir mei­nen stets die­sen, und diesen,und die­sen Augen­blick des Erfahrens.

Der mensch­li­che Geist jedoch erlebt ledig­lich die „Ober­flä­che“ des Seins. Was bedeu­tet das? Der mensch­li­che Geist erfährt sei­ne Welt so, als ob Stille, Unend­lich­keit, Unbe­grenzt­heit, Frei­heit, nicht anwe­send wäre. Der kon­di­tio­nier­te, mensch­li­che Geist ist ein Mecha­nis­mus, der – wenn wir ihn nicht ver­ste­hen – uns glau­ben lässt, selbst inner­halb die­ses Mecha­nis­mus zu sein, selbst ein Wesen der „Ober­flä­che“ zu sein – ohne bewuss­tes Gewahr­sein davon, dass Stille, die Quel­le, all­ge­gen­wär­tig ist und dass ein­zig Stille alles unse­res Erfah­rens ausmacht.

Mer­ken wir, wes­sen es bedarf, um wah­re Stille wahr­zu­neh­men, um das wahr­zu­neh­men, was all unse­rem Erfah­ren zugrun­de liegt, jedoch vom mensch­li­chen Geist nicht regis­triert wird, obwohl es gänz­lich zuge­gen ist, obwohl es alles ist, was zuge­gen ist, obwohl es das Einzi­ge ist, was zuge­gen ist? Es bedarf einer gro­ßen Wach­heit, die Wirk­lich­keit unse­res Seins zu bemer­ken. Es bedarf des Wun­sches, unse­rer Quel­le gewahr zu sein. Und die­ser Wunsch ent­springt der Quel­le selbst und nie­mals dem mensch­li­chen Geist.

Die Quel­le, wah­re Stille, mel­det sich in uns als die Lie­be zur Wahr­heit. Und die Lie­be zur Wahr­heit zeigt sich als unse­re Wach­heit. Und mit und als die Lie­be zur Wahr­heit geschieht unser waches Lau­schen, unser waches Gewah­ren der Wahrheit,unser waches Zulas­sen der Wahr­heit. Das Lau­schen, das Gewah­ren und das Zulas­sen der Wahr­heit ist nichts ande­res als die Bewe­gung der Wahr­heit in uns.

Was bedeu­tet in uns? Das Innen ist die Akti­vi­tät der Quel­le, die Bewe­gung der Stille, aus der unser Erfah­ren ist und daher die ein­zi­ge Wirk­lich­keit unse­res Erfah­rens ist. Wir dür­fen uns die Quel­le nicht als etwas Ent­fern­tes vor­stel­len. Die Quel­le, Stille, Gott, ist nichts ande­res, als die Sub­stanz oder Essenz des Erfah­rens. Das Reich Got­tes „ist näher als der Atem“. Es ist das, wor­aus alles Erfah­ren besteht.

Wie nah ist die Quel­le, die Sub­stanz, dem, was wir erfah­ren? Wie nah ist das Gold einem gol­de­nen Arm­band oder einem Gold­ring? Gold ist die Sub­stanz des Schmuck­stücks. Und da Gold die Sub­stanz ist, ist alles des Schmuck­stücks tat­säch­lich Gold. In glei­cher Wei­se ist Stille die Sub­stanz all unse­res Erfah­rens, das Erfah­ren selbst und das, was wir Erfah­ren. Die Wirk­lich­keit eines jeden Augen­blicks ist das, wor­aus wir erfah­ren, womit wir erfah­ren und was wir erfah­ren. Dies ist das unmit­tel­ba­re Ver­ste­hen der einen Wahr­heit, das Ver­ste­hen des Her­zens der Wahr­heit, des Her­zens der Stille.

Könn­te jemand von uns davon berich­ten, dass es außer dem, was unmit­tel­bar ist, noch etwas ande­res gibt? Könn­te einer von uns berich­ten, dass außer dem, was unmit­tel­bar ist, noch ein davon getrenn­tes Sein oder ein sepa­ra­tes Selbst exis­tiert? Wo soll­te es sich befin­den? Wie könn­te etwas aus der Gesamt­heit der Exis­tenz aus­tre­ten? Kön­nen wir aus der Gesamt­heit des Seins aus­tre­ten? Nein, nie­mals sind wir aus dem einen Sein ausgetreten.

Kön­nen wir jedoch den Glau­ben an eine sepa­ra­te Exis­tenz als unse­re Wirk­lich­keit erach­ten? Ja.

Haben wir, sobald wir den Glau­ben an eine sepa­ra­te Exis­tenz als unse­re Wirk­lich­keit erach­ten, das Emp­fin­den ein sepa­ra­tes Wesen zu sein? Ja.

Wer­den wir dadurch, dass wir den Glau­ben an Tren­nung anneh­men, tat­säch­lich ein sepa­ra­tes Wesen? Nein.

Wie kön­nen wir nun den Glau­ben, dass irgend­et­was in Tren­nung von der Gesamt­heit des Seins exis­tiert – oder auch nur exis­tie­ren könn­te –in unse­rer Augen­blick-für-Augen­blick-Erfah­rung ver­schwin­den sehen?

Nun,wir müs­sen nur der Wirk­lich­keit des Seins gewah­ren, der Wirk­lich­keit, wie sie ist. Und dies muss, per Defi­ni­ti­on, unser ein­zi­ger Wunsch sein. Denn „unser“ Wunsch, der Wahr­heit zu gewah­ren und bewusst in und als Wahr­heit zu leben, ist nichts ande­res, als der Wunsch der Quel­le, sich selbst zu offenbaren.Und es ist der ein­zi­ge Wunsch der Quel­le. Wir kön­nen sagen,die Quel­le ist der Wunsch, sich zu offen­ba­ren. Und daher tut sie es.

Lasst uns eine ein­fa­che Aus­sa­ge über uns selbst neh­men, um den Unter­schied von bewuss­tem Gewah­ren der Stille, der Quel­le, und dem Ver­fan­gen­sein in dem Glau­ben an eine sepa­ra­te Exis­tenz, an ein eige­nes, per­sön­li­ches Erfah­ren­der Welt, auf­zu­de­cken. Neh­men wir die ein­fa­che Fest­stel­lung „Ich sit­ze auf einem Stuhl“. Was ist „ich“ in die­ser Aus­sa­ge? Der kon­di­tio­nier­te mensch­li­che Geist behaup­tet, „ich“– ein bestimm­ter Mensch mit einem bestimm­ten, per­sön­li­chen Kör­per – „sit­ze auf dem Stuhl“. Und „ich“ bin natür­lich „ich“,dieser sepa­ra­te, bestimm­te Mensch mit sei­nem Kör­per. Der mensch­li­che Geist behaup­tet: „Ich bin von den Gegen­stän­den und den ande­ren Men­schen im Raum getrennt. Ich bin hier auf dem Stuhl und alles ande­re ist dort im Raum.“ Im Glau­ben, ein sepa­ra­tes, per­sön­li­che Wesen zu sein, erle­ben wir nicht bewusst, was tat­säch­lich ist.

Ich ist Stille. Ich, das tat­säch­li­che Ich des Auf-dem-Stuhl-Sit­zens ist die Quel­le, ist die Sub­stanz des Erfah­rens, auf einem Stuhl zu sit­zen. Die Ver­si­on des mensch­li­chen Ver­stan­des fußt auf der Annah­me von „ich“ als einem sepa­ra­ten Wesen, wel­ches auf dem Stuhl sitzt. Und die­ser Stuhl ist – gemäß dem Ver­stand – natür­lich der per­sön­li­che, eige­ne Stuhl die­ses Wesen. Der Stuhl befin­det sich natür­lich in der eige­nen Woh­nung oder dem eige­nem Haus die­ses Wesens. Die Wirk­lich­keit jedoch ist Ich, Stille, die Quel­le, die Sub­stanz des Erfah­rens. Wel­chen Erfah­rens? Des ein­fa­chen Erfah­rens des Auf-dem-Stuhl-Sit­zens! Stille, Ich,und ihr indi­vi­du­el­les Erfah­ren ihrer selbst (auf dem Stuhl zu sitzen)sind eins. Dies ist das eine Sein. Dies ist, was alle Mys­ti­ker erkannt haben. Stille ist nichts wei­ter als das eine Sein, das Eins­sein von allem, was ist.

Spü­ren wir alle die voll­kom­me­ne Ein­fach­heit der Wirk­lich­keit, wie sie gera­de ist? Das Sit­zen auf dem Stuhl ist die Wirk­lich­keit. Es ist die Unend­lich­keit unse­res Seins, wel­che als das Erfah­ren des Sit­zens auf dem Stuhl sicht­bar wird und sich offenbart.

Neh­men wir ein wei­te­res Bei­spiel: „Ich höre zu.“ Was wie­der um ist hier­bei „ich“? Kön­nen wir, kann „ich“ ein von der Gesamt­heit des Seins getrenn­tes Wesen sein, wel­ches aus sich selbst her­aus die Fähig­keit zu hören hat? Oder ist „ich“ in Wirk­lich­keit das eine Ich, Stille, die Quel­le, die Sub­stanz des Erfah­renzu hören? Wie fein muss doch unse­re Kon­tem­pla­ti­on sein, wie fein unser Betrach­ten der Wirk­lich­keit! Und es ist die­ses fei­ne Gewah­ren– ein Gewah­ren, das mit dem tie­fen Wunsch ein­her­geht, nichts als Wirk­lich­keit erfah­ren zu wol­len – wel­ches den Schlei­er des Glau­bens von Getrennt­heit ent­schwin­den lässt.

Mer­ken wir, dass es aller Ener­gie bedarf, allen Gesam­melt­s­eins, um unter­schei­den zu kön­nen, was tat­säch­liches Erfah­ren ist ver­sus eines Erfah­rens, das auf einer fal­schen Grund­an­nah­me beruht? Haben wir die­se Ener­gie? Natür­lich! Was wir als unse­re Ener­gie bezeich­nen, ist nichts ande­res als leben­di­ge Stille, Spi­rit, Licht, Lie­be, der wah­re Antrieb in uns – das, was uns antreibt, die Wahr­heit zu erken­nen, das, was uns antreibt,unsere Fül­le zu fin­den. Was ist das Erle­ben der Fül­le? Das Erle­ben der Fül­le ist das Erle­ben von genau dem, was gera­de ist – gewah­rend, dass es aus Stille ist.

Stille ist über­voll ihrer selbst. Stille ist über­voll mit Licht und Lie­be. Stille ist immer grö­ßer als das momen­ta­ne Erfah­ren ihrer selbst. Stille bringt jeden Augen­blick her­vor. Stille ist die Leben­dig­keit, die rei­ne Leben­dig­keit jeden Augen­blicks. Stille kann nicht fixiert wer­den, kann nicht ange­hal­ten wer­den. Stille – nicht eine abs­trak­te Stille, son­dern Stille, genau die­ser und jeder Augen­blick sei­end – kann nicht ein­ge­fan­gen wer­den. Wir kön­nen Stille nicht für uns per­sön­lich haben oder besit­zen. Denn Stille ist bereits, was wir sind. Stille ist das Gesche­hen, wel­ches geschieht. Und Stille ist Fül­le. Stille ist Voll­stän­dig­keit. Stille ist Unver­sehrt­heit. In Stille ist kein Kon­flikt und kei­ne Rei­bung, da Stille das Ein­zi­ge ist, was ist. Stille ist das Ich des Erfahrens,Stille ist die Sub­stanz des Erfah­rens und daher alles Erfah­ren selbst.

Das bewuss­te Gewah­ren der Stille, bedarf der Praxis.Da wir die Wor­te der Wahr­heit ver­neh­men und dem Füh­len der Wahr­heit immer mehr Raum gewäh­ren, kön­nen wir immer kon­stan­ter die Prä­senz und die Akti­vi­tät der Stille bezeu­gen, wo auch immer wir uns vor­fin­den. Über­all ist es Ich;überall ist es die Quel­le, Stille, wel­che die Wirk­lich­keit unse­res Erfah­rens ist. Stille ist die Wirk­lich­keit unse­res Auf­ste­hens und all unse­rer dann fol­gen­den Tätig­kei­ten. Stille ist die Wirk­lich­keit unse­res Hörens und unse­res Spre­chens – und Stille ist die Wirk­lich­keit des ein­fa­chen Sit­zens auf einem Stuhl. Stets ist es Stille, die Quel­le, uns alle und alles seiend.

(Eini­ge Minu­ten stil­len Gewahrens)

Vertraue, dass du die Wahrheit kennst.
Du kennst die Wahrheit in diesem Augenblick,
weil du aus Wahrheit bist,
weil du Wahrheit selbst bist.
Und da du Wahrheit selbst bist,
kannst du unterscheiden,
was du bist und was du nicht bist.

Lerne in dem, was du bist, zu ruhen.
Lerne in Stille, du seiend, zu ruhen.
Du bist Stille und ihr individueller, einzigartiger Ausdruck.
Du bist Einssein.

Lebe und bewege dich in diesem Gewahrsein.
Empfange das Licht und die Liebe der Stille in jedem Augenblick.
Lass das Licht und die Liebe der Stille fließen.
Sei ein Durchlass für das Wirken der Stille.

Da du dich langsam an dein natürliches Sein gewöhnst,
erlebst du, dass sich alles deines Erfahrens
gemäß der Harmonie und der Vollkommenheit der Quelle
zu gestalten beginnt –
ohne Eile,
jedoch stetig,
Augenblick für Augenblick.


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Jen­seits des Mentals

Auf Grund­la­ge der Sonn­tags­grup­pe vom 17.11.201im Zyklus „Das Herz der Stille“


Lasst uns des Wun­ders gewahr sein –

des Wun­ders der Unend­lich­keit und Unbe­grenzt­heit allen Seins,

der Stille, der Quel­le alles Erfah­rens, der uner­mess­li­chen Weite –

und doch hier und jetzt

genau an die­sem Platz, genau zu die­sem Augenblick,

kei­ne Sekun­de und kei­nen Mil­li­me­ter entfernt

von dei­nem und mei­nem Sein.

(Eini­ge Minu­ten stil­len Gewahrens)

Wenn wie hören, dass wir genau zu dem Zeit­punkt und genau an dem Ort, an dem wir uns gera­de befin­den, die unend­li­che und gren­zen­lo­se Wirk­lich­keit alles Seins sind, dann mögen die­se Wor­te das Emp­fin­den eines Wie­der­erken­nens her­vor­ru­fen. Das Herz der Wirk­lich­keit, das Herz der Stille, ver­steht die­se Botschaft:

Wir sind das eine Sein, wir sind Unend­lich­keit –uns seiend.

Dies ist die Wahr­heit, die uns befreit. Es ist das eine Leben, wel­ches dies spricht und es ist das eine Leben, wel­ches hört. Wahr­heit – Wirk­lich­keit, wie sie ist – befreit uns von allen ein­schrän­ken­den Ideen über das Leben. Sie befreit uns von Ideen, die nicht aus der direk­ten Erfah­run­gen des Lebens stam­men. Wenn wir das Herz der Wirk­lich­keit mit dem Herz der Wirk­lich­keit vernehmen,verstehen wir immer kla­rer den Unter­schied zwi­schen allen meta­phy­si­schen, men­ta­len, psy­cho­lo­gi­schen oder eso­te­ri­schen Wegen der Selbst­er­kennt­nis und dem schma­len, pfad­lo­sen Weg des direk­ten Erfahrens.

Der pfad­lo­se Weg macht uns kei­ne Vor­schlä­ge, wie wir uns ver­bes­sern oder ent­wi­ckeln kön­nen. Er ver­weist auf die Wirk­lich­keit unse­res Seins, hier und jetzt. Er ver­weist auf die Selbst­lo­sig­keit unse­res Seins. Jeder Augen­blick unse­res Erfah­rens ist selbst­los. Die unzäh­li­gen Ideen dar­über, wie wir uns und unser per­sön­li­ches Leben ver­bes­sern und uns per­sön­lich ent­wi­ckeln kön­nen bezie­hen sich auf ein Selbst, von dem ange­nom­men wird, dass es noch nicht das eine, wah­re, selbst­lo­se, freie Selbst ist und es daher noch wer­den muss. Der pfad­lo­se Weg, der schma­le Weg jedoch sagt:

Sei still und wis­se, erken­ne, was direkt hier ist. Erken­ne den „Ort“, den du nie ver­las­sen hast, den „Ort“, den du nie ver­las­sen konn­test. Erken­ne das eine Sein, das eine Leben, die eine Exis­tenz und erken­ne, dass sie du ist, dass sie alles an dir und von dir ist und dass sie alles an und von dei­ner Welt ist.

Dies ist die Bot­schaft des Lebens selbst, des Lebens, so wie es ist, frei von Vor­stel­lun­gen über das Leben. Der Ein­fluss des gesell­schaft­li­chen Lebens, wel­ches sich in Kon­zep­ten über das Leben ver­fan­gen hat, ist sehr stark. Die Wor­te des schma­len Weges „rei­ni­gen“ uns von all jenen Vor­stel­lun­gen und hel­fen uns die Wirk­lich­keit eines jeden Augen­blicks des Erfah­rens zu erkennen.

Das Herz der Wahr­heit hat kei­ne men­ta­le Reprä­sen­ta­ti­on. Kön­nen wir dies ver­ste­hen? Leben, wie es ist, ist zu direkt, zu unmit­tel­bar, um vom Ver­stand inter­pre­tiert zu wer­den. Jedes men­ta­le Ver­ste­hen kommt mit einer „Ver­spä­tung“ daher. Leben, wie es ist, ist vor dem men­ta­len Ver­ste­hen und ist den­noch alles, was tat­säch­lich ist. Voll­kom­men­heit, Unver­sehrt­heit, Per­fek­ti­on, wah­re Gesund­heit, wah­re Fül­le, wah­re Ver­sor­gung fin­den vor dem Men­tal statt. Es ist Stille. Es ist Lie­be. Es ist Licht. Es ist die Bewe­gung, wel­che die Absicht des einen Lebens ist. Es ist die Bewe­gung des unun­ter­bro­che­nen Sich-Offen­ba­rens, nicht des per­sön­li­chen Wer­dens, son­dern des sich Offen­ba­rens – des unun­ter­bro­che­nen Offen­ba­rens von mehr des einen Lebens als bewuss­tes indi­vi­du­el­les Erfah­ren sei­ner selbst, namens du und ich.

Die unzäh­li­gen Leh­ren und Anschau­un­gen der Welt sind zumeist Kon­zep­te über das Leben. Nur weni­ge Bot­schaf­ten ver­wei­sen auf Leben selbst, auf unse­ren natür­li­chen Zustand, auf unse­re Voll­kom­men­heit, unse­re Unver­sehrt­heit, ja unse­re Schön­heit und unse­re Bril­lanz – hier und jetzt. Ein­zig Leben selbst ist das Voll­kom­me­ne, das Unver­sehr­te, das Schö­ne, das Bril­lan­te. Alle Ideen über das Leben haben ihren Ursprung in der Idee eines wei­te­ren Lebens, eines persönlichen,eigenen Lebens. Und so krei­sen die­se Ideen um den Ver­such die Ganz­heit und die Fül­le des Lebens zu errei­chen. Sei still und schaue erneut: Alle Kon­zep­te der Welt sind Kon­zep­te über das Leben. Das, was wir tat­säch­lich sind, ist Leben selbst, ist Voll­kom­men­heit, ist Gren­zen­lo­sig­keit, ist Unend­lich­keit, unser Erfah­ren seiend.

Leben selbst spricht:

Du,alle und alles bin Ich selbst. Nirgend­wo ist etwas ande­res. Nirgend­wo ist etwas von Mir Verschie­de­nes oder Getrenn­tes. Ich bin du; Ich bin dein Sein und alles was Ich habe und bin, ist dein, in jedem Augen­blick. Lass dich nicht ablen­ken von den Ideen, die die Welt über Mich hegt. Blei­be im Leben­di­gen; blei­be in der Unmit­tel­bar­keit des direk­ten Erfah­rens!Blei­be im Emp­fin­den, im Fühlen, im Gewah­ren, im Laus­chen des Leben­di­gen, des Unmit­tel­ba­ren, und lebe aus Mir! Lebe aus Leben selbst! Lebe aus dem unmit­tel­ba­ren Emp­fin­den von Leben! Lass kein Kon­zept über dich zu, wel­ches nicht direkt aus Mir ist, auder Unend­lich­keit dei­nes Seins. Lau­sche der Unend­lich­keit dei­nes Seins, wel­ches Mein Sein ist.

Die Fähig­keit der Wirk­lich­keit unse­res Seins zu lau­schen, ihr zu gewah­ren, sie zu fühlen, ist uns gege­ben und steht uns daher unun­ter­bro­chen zur Ver­fü­gung. Es ist das Leben­di­ge selbst in uns. Kein sepa­ra­tes Selbst ver­mag Leben selbst zu lau­schen, zu gewah­ren und zu füh­len. Ein sol­ches Selbst gibt es nur als Vor­stel­lung. Nur Leben selbst ver­mag sich selbst zu lau­schen, sich selbst zu gewah­ren und sich selbst zu füh­len. Leben selbst lauscht, gewahrt und liebt sich selbst als und durch die Selbst­lo­sig­keit sei­nes indi­vi­du­el­len Seins. Das Erfah­ren der Selbst­lo­sig­keit unse­res Seins ist ein­zig in Frei­heit mög­lich – in Frei­heit von allen Vor­stel­lun­gen und Annah­men über Leben.

Wo immer wir sind, wann immer wir sind – es ist das­sel­be eine Leben, wel­ches unser Erfah­ren ist. Über­all ist die Vollkommenheit,die Unver­sehrt­heit, die Unend­lich­keit, die Unbe­grenzt­heit des einen und ein­zi­gen Lebens zuge­gen. Wenn wir auf­ste­hen und uns an einen ande­ren „Ort“ bege­ben – was fin­den wir dort vor? Wie­der­um genau das­sel­be eine Leben, wel­ches bereits und ein­zig hier ist!

Jedes„Hier“ ist der Ort der Unend­lich­keit, der Ort und der Augen­blick von Stille, sich selbst sei­end als alles ihres indi­vi­du­el­le Erfah­ren ihrer selbst. Die Kon­zep­te der Welt wol­len uns glau­bend machen, dass wir dort, an dem Ort, zu dem wir uns bege­ben, viel­leicht Erfül­lung fin­den. Die gan­ze und die ein­zi­ge Fül­le ist jedoch genau hier, und die­ses Hier ist das glei­che Hier, wo auch immer wir uns befinden.

Kön­nen wir in die­sem Wis­sen durch unse­ren All­tag gehen? Kön­nen wir in dem leben­di­gen Erken­nen ver­wei­len, dass wir nichts wer­den müs­sen und nichts wer­den kön­nen, son­dern es Leben selbst ist, wel­ches sich unun­ter­bro­chen als unser Erfah­rens offen­bart, als unser Kör­per, unser Geist, als alles unser Welt? Welch ein Wech­sel der Per­spek­ti­ve! Wir gewah­ren Leben selbst als unse­rem Sein!Wir gewah­ren Leben­dig­keit selbst! Wir sind Leben, wir sind Leben­dig­keit selbst und nichts ande­res. Ken­nen wir nicht die Worte,„Ich bin das Leben; Ich bin die Wahr­heit [Ich bin das Herz der Wahr­heit]; Ich bin der Weg“? Das direk­te, unmit­tel­ba­re Erfah­ren von Unend­lich­keit, Stille, uns sei­end, ist der Weg, der Weg des Ich bin, der pfad­lo­se Weg, der selbst­lo­se Weg, das wahr­haf­te indi­vi­du­el­le Sein, ein­zig­ar­tig in jedem Augen­blick sei­ner selbst, doch nie­mals getrennt. Das ist, was jeder Augen­blick ist: Die unend­li­che Ganz­heit des Seins in ein­zig­ar­ti­ger Erfah­rung ihrer selbst. Die Kon­zep­te über das Leben wol­len mit ihren Behaup­tun­gen unse­re Erfah­run­gen bestim­men. Sie sagen: Du bist gesund oder krank; du bist Mann oder Frau; du bist jung oder alt, du bist erfolg­reich oder erfolg­los, du bist spi­ri­tu­ell oder welt­lich, du bist Geist oder Mate­rie und so wei­ter. Ist dies Leben selbst ? Ist Leben selbst gesund oder krank, Mann oder Frau, jung oder alt, Geist oder Mate­rie, erleuch­tet oder uner­leuch­tet? Nein. In Leben selbst exis­tie­ren kei­ne Gegensätze.

Gibt es in Leben selbst so etwas wie Geburt und Tod? Nein, natür­lich nicht. Geburt und Tod sind nicht Leben selbst. Es sind Kon­zep­te über Leben. Das Leben, wel­ches ein jeder von uns in die­sem und in jedem Augen­blick ist, ist nicht gebo­ren und kann nicht enden. Und von die­sem Leben, dem tatsächli­chen Leben,spricht der schma­le Weg.

Wie fühlt sich die Bot­schaft des schma­len Weges an – jetzt, genau hier, wo wir sind? Fin­det unser Geist, fin­det unser Kör­per, nicht sei­ne wah­re Posi­ti­on? Spürt der Kör­per nicht das wah­re Leben als sein Leben? Erhebt sich unser Geist nicht in die Erfah­rung sei­ner Frei­heit? Spü­ren wir nicht den Frie­den? Spü­ren wir nicht die unend­li­che Gebor­gen­heit unse­res wah­ren Zuhau­ses? Spü­ren wir nicht eine ganz neue Vita­li­tät, ein neu­es Leben, das wah­re Leben? Ja, unse­re Sin­ne bedür­fen eini­ger Zeit, um sich an die Unmit­tel­bar­keit des direk­ten Erfah­rens zu gewöh­nen. Wir schau­en nicht mehr durch den Schlei­er des Glau­bens an ein geteil­tes Leben. Unse­re Auf­merk­sam­keit muss nicht mehr von einem Objekt zum ande­ren Objekt sprin­gen, um dort Fül­le zu fin­den. Unser Gewahr­sein ruht in sich selbst, ruht in dem einen, unge­teil­ten und unteil­ba­ren Leben und gewahrt der Leben­dig­keit des einen Lebens. Wir sind und leben das eine unge­teil­te und unteil­ba­re Leben und kein, wei­te­res, vor­ge­stell­tes Leben.

Wir sind das Eins­sein von Stille, der Quel­le, und ihrer unmit­tel­ba­ren Mani­fes­ta­ti­on. In die­sem Erken­nen fin­den wir wah­res Ver­trau­en. Dies ist der wah­re, der hei­li­ge Boden, auf dem wir ste­hen1.Dies ist der Boden, der uns nährt. Dies ist der Boden unse­rer Inspi­ra­ti­on und unse­rer Lie­be. Und dies ist kei­ne Idee, kein blo­ßes Kon­zept. Es ist, was tat­säch­lich ist. Und nun ent­de­cken wir mehr und mehr des­sen, was Leben selbst als, in und durch jeden Augen­blick sei­nes indi­vi­du­el­len Erfah­rens ist und hat.

Es ist so ein­fach. Es beginnt mit der klei­nen Berüh­rung der Wirk­lich­keit, dem inni­gen Wie­der­erken­nen unse­res unbe­ein­träch­tig­ten Seins. Wir geben jener Berüh­rung, jenem Wie­der­erken­nen Raum. Wir geben nicht den Kon­zep­ten der Welt über das Leben und über uns Raum, son­dern dem Leben­di­gen selbst, der leben­di­gen Wirk­lich­keit selbst. Und sie ver­rich­tet die „Arbeit“ des Offen­ba­rens ihrer selbst als indi­vi­du­el­les Seins. Die Kon­zep­te der Welt spre­chen über ein getrenn­tes Selbst und die Arbeit, die es ver­rich­ten muss,um sei­ne per­sön­li­che Voll­kom­men­heit und Voll­stän­dig­keit zu erleben.

Unse­re ein­zi­ge „Auf­ga­be“ ist es die Wirk­lich­keit unse­res Seins nicht mit­tels Kon­zep­ten, nicht mit­tels Ideen über die Wirk­lich­keit zu suchen, son­dern ihrer mit der unmit­tel­ba­ren Leben­dig­keit, die sie bereits als alles unse­res Seins ist, zu gewah­ren. Wir gewah­ren Wirk­lich­keit nicht als etwas Gegen­ständ­li­ches und erken­nen, dass wir Gewah­ren selbst sind, dass wir Bewusstsein selbst sind. Rei­nes Gewah­ren, rei­nes Bewusst­sein, ist die leben­di­ge Bewe­gung des Offen­ba­rens von Stille, der Quel­le allen Seins, als indi­vi­du­el­les Erfah­ren sei­ner selbst. Dies ist, was Leben ist. Dies ist, was wir sind.

Lasst uns vertrauen,

dass selbst der klei­ne Fun­ke des wah­ren Ver­ste­hens ausreicht.

Lasst uns die­sen klei­nen Fun­ken ehren und lieben.

Er ist Leben selbst.

Er ist die Ganz­heit des einen Lebens,

sich selbst offen­ba­rend und erfüllend,

als mein Sein, als dein Sein,

als das Sein aller, als das Sein von allem.

(Eini­ge Minu­ten stil­len Gewahrens)

1Vgl.2.Mose 3,5

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Im Oze­an der Stille

Auf Grund­la­ge der Sonn­tags­grup­pe vom 08.12.201im Zyklus „Das Herz der Stille“


So bald wir das Herz der Stille berüh­ren, spü­ren wir, dass es außer die­ser leben­di­gen Berüh­rung und ihrer Bewe­gung nichts gibt. „Das Auge, in dem ich Gott sehe, das ist das­sel­be Auge, dar­in mich Gott sieht; mein Auge und Got­tes Auge, das ist ein Auge und ein Sehen und ein Erken­nen und ein Lie­ben.“1Indem­wir die Berüh­rung der Wahr­heit, indem wir das Füh­len der Wahr­heit zulas­sen, füllt das Licht der Wahr­heit unser Gewahr­sein. Wir sind es nur noch nicht gewohnt, in der Hal­tung des Zulas­sens zu ver­wei­len. Zu sehr sind wir es gewohnt, aus der Hal­tung etwas „aus uns selbst her­aus“ tun zu kön­nen, zu leben – so, als ob wir in der Unend­lich­keit des Seins ein eige­nes Zen­trum bil­den wür­den. Dies ist jedoch nur ein Glau­be. Die Unend­lich­keit und Gren­zen­lo­sig­keit des Seins ist unse­re Wirk­lich­keit und sie bil­det in sich selbst kein sepa­ra­tes Zentrum.

Dies erken­nend hören wir die Wor­te aus dem Herz der Stille:

Wir sind bereits frei.

Wir sind bereits Unend­lich­keit und Unbe­grenzt­heit selbst.

Wir sind bereits der Frie­den, der alles Verste­hen übersteigt.

Wir sind die Prä­senz des Lich­tes und der Liebe.

Was bleibt uns also noch zu tun, als das, was wir bereits sind, zuzu­las­sen – es wirk­lich zuzu­las­sen? Lasst uns eini­ge Minu­ten im Zulas­sen der Wahr­heit, dass wir bereits im Oze­an der Stille sind, ruhen. Las­sen wir das Licht und die Lie­be der Stille unser Gewahr­sein füllen.

(Eini­ge Minu­ten stil­les Gewahren)

Lasst uns uns einen Fisch vor­stel­len, einen Fisch in einem Oze­an. Unser Fisch hat ver­ges­sen, dass er im Oze­an ist. Er weiß nicht ein­mal genau, was er ver­ges­sen hat. Erfühlt sich nur nicht voll­stän­dig. Er weiß, dass irgend etwas fehlt. Und so begibt er sich auf die Suche nach dem, was fehlt, um sich wie­der voll­stän­dig zu füh­len und sei­ne Ganz­heit zu erfahren.

Nach eini­ger Zeit trifft er auf einen ande­ren Fisch, der ihm sagt: „Der Oze­an ist dei­ne Ganz­heit und dei­ne Erfül­lung. Was dir fehlt ist die leben­di­ge Erkennt­nis, dass du bereits im Oze­an bist. Solan­ge du den Oze­an suchst, kannst du ihn nicht erken­nen.“ Unser Fisch kann dies nicht ganz ver­ste­hen. Er ist mit dem Hin­weis, dass der Platz, an dem er sich bereits befin­det, ein Oze­an sein soll, der ihm sei­ne Erfül­lung bie­tet, nicht zufrie­den und sucht daher wei­ter. Der Fisch, der ihm das gesagt, hat schwimmt hin und wie­der wie­der vor­bei und wie­der­holt: „Du bist bereits im Oze­an und der Oze­an ist dei­ne Erfül­lung.“ Unser Fisch aber kann es nicht verstehen.

Dann trifft er einen wei­te­ren Fisch. Auch die­ser spricht vom Oze­an. Jedoch sagt die­ser Fisch: „Du musst etwas tun, damit du den Oze­an erkennst. Bete zum Oze­an und er wird sich bemerk­bar machen und dir sei­ne Fül­le zei­gen; und du wirst glück­lich sein.“ Und unser Fisch betet; er betet zu dem Oze­an, von dem er gehört hat, dass er exis­tiert. Und ein wenig vom Frie­den des Oze­ans, ein wenig Zuver­sicht, erfasst ihn. Jedoch bleibt die­ses Gefühl der Unvoll­stän­dig­keit, ein hart­nä­cki­ges Gefühl des Man­gels und der unter­schwel­li­gen Unzu­frie­den­heit, bestehen.

Dann begeg­net er dem nächs­ten Fisch, von dem bekannt ist, dass er vom Oze­an spricht. Und die­ser Fisch spricht bedäch­tig zu ihm: „Du musst medi­tie­ren. Du musst den Oze­an in dir fin­den.“ Und unser Fisch ver­sucht sich nach innen zu wen­den und den Oze­an in sich zu fin­den. Und wäh­rend des Medi­tie­rens erlebt er manch­mal Zustän­de von tie­fem Frie­den, die er im Beten nicht erlebt hat­te. Das Gefühl der Unvoll­stän­dig­keit jedoch hält sich hartnäckig.

Eines Tages schwimmt wie­der der Fisch an ihm vor­bei, der nur sagt: „Der Oze­an ist dei­ne Ganz­heit und dei­ne Erfül­lung und du bist bereits im Oze­an.“ Unser Fisch ist nun nicht mehr so irri­tiert, wie bei­der ers­ten Begeg­nung. Er fragt: „Was bedeu­tet es, bereits im Oze­an zu sein? Und wie kann ich es erfah­ren?“ Und der Fisch ant­wor­tet: „Du musst es nur bemer­ken.“ „Wie kann ich es denn bemer­ken?“, fragt unser Fisch. „Gib die Vor­stel­lung auf, dass du den Oze­an errei­chen musst. Solan­ge du glaubst, dass du den Oze­an suchen musst und hoffst, ihn irgend wann durch dei­ne Suche zu fin­den, kannst du ihn nicht bemer­ken.“ Und plötz­lich ent­steht in unse­rem Fisch ein Inne­hal­ten, eine klei­ne fei­ne Offen­heit und erfragt sich: Was, wenn ich den Oze­an, wenn ich die Fül­le mei­nes Seins, die ich mir so wün­sche, tat­säch­lich nicht errei­chen muss? Und er berich­tet dem Fisch, der ihm die Bot­schaft der Wahr­heit über­mit­telt hat, von die­ser Öff­nung. Er berich­tet auch davon, dass er mit die­ser Fra­ge eine gro­ße Frei­heit zu füh­len beginnt, eine Frei­heit, die sein gan­zes Wesen umschließt und sanft durch­flu­tet. Und er erhält eine Bestä­ti­gung: „Ja, dies ist, wie der Oze­an, in dem du bist, sich anfühlt. Dies ist das Licht und die Lie­be des Oze­ans.“ „Aber was kann ich tun, damit das Füh­len des Oze­ans für immer bei mir bleibt?“, fragt unser Fisch. „Für immer bei dir bleibt?“, fragt sein Gegen­über. „Du bist bereits im Oze­an. Nichts ande­res exis­tiert! Dein Sein ist das Sein des Oze­ans. Alles, was du erfährst, allesist der Oze­an. Wie könn­te der Oze­an denn nicht bei dir sein? Er ist alles in dir und zur glei­chen Zeit alles um dich her­um .Er ist das Innen und das Außen.“ Nach einer Wei­le des Kon­templie­rens über die Tat­sa­che, bereits im Oze­an zu sein, berich­tet unser Fisch nun davon, dass sich die Annah­me, nicht im Oze­an zu sein, auf­zu­lö­sen beginnt. Er erhält wie­der eine Bestä­ti­gung: „Ja, nur der Glau­be, nicht im Oze­an zu sein, verschwindet.“

Schon bald emp­fin­det unser Fisch sein Sein gänz­lich erneu­ert. Alle Ver­su­che, den Oze­an errei­chen zu wol­len, sind ver­schwun­den. Unser Fisch lernt sei­ne natür­li­che Hal­tung ken­nen, die Hal­tung des Zulassens.Das Licht und die Lie­be füllt sein Gewahr­sein und lässt ihn in immer grö­ße­rer Wach­heit und Klar­heit die Uner­mess­lich­keit, aber auch die vie­len Details und Nuan­cen des Oze­ans erfah­ren. Der Fisch ent­deckt, dass das Zulas­sen des Lichts und der Lie­be des Oze­ans eine unun­ter­bro­che­ne Bewe­gung ist, die ihm Augen­blick für Augen­blick, alles dar­bie­tet, was er benö­tigt. Und fort­an hat er nie wie­der das Gefühl des Man­gels. Er erlebt, dass der Oze­an selbst sein Sein ist, dass der Oze­an selbst ihn nährt und ver­sorgt und er sich völ­lig sicher füh­len kann, so er nicht wie­der dem Glau­be ver­fällt, vom Oze­an getrennt zu sein.

Das Zulas­sen­de, füh­len­de Gewah­ren der Wirk­lich­keit unse­res Seins ist ewig. Es hat nie begon­nen und wird nie enden. Es ist unser ewi­ger, natür­li­cher Zustand. Selbst wenn wir glau­ben, nicht im Oze­an des Seins, nicht im Oze­an der Stille zu sein, fin­det das zulas­sen­de, füh­len­de Gewah­ren doch statt. Das zulas­sen­de, füh­len­de Gewah­ren ist nicht etwas, was wir errei­chen müs­sen. Es ist bereits unser natür­li­cher Zustand.

Nur der kon­di­tio­nier­te Intel­lekt hält die Idee auf­recht, dass wir,als per­sön­li­che, sepa­ra­te Wesen zulas­sen müs­sen, dass wir füh­len müs­sen, dass wir gewah­ren müs­sen. Die Ideen des Intel­lekts bezie­hen sich stets auf ein Ich, wel­ches all dies voll­brin­gen soll­te. Unser Ich ist jedoch das Ich, wel­ches der Oze­an ist. Wir sind die Unend­lich­keit und Unbe­grenzt­heit des Oze­ans, unser und alles Sein seiend.

Wenn wir die Wirk­lich­keit unse­res Seins kon­templie­ren, die Öff­nung zur Wirk­lich­keit erfah­ren und das Ein­flie­ßen des Lich­tes und der Lie­be der Wirk­lich­keit wahr­neh­men, sind wir mehr und mehr in der Lage, die Sug­ges­tio­nen des kon­di­tio­nier­ten Intel­lekts als sol­che zu erken­nen. Alles des kon­di­tio­nier­ten Intel­lekts dreht sich um ein sepa­ra­tes Selbst, wel­ches nicht exis­tiert. Der Oze­an der Stille ist unge­teilt und unteil­bar. Im Oze­an der Stille gibt es kei­ne von­ein­an­der getrenn­ten Berei­che. Ja, der Oze­an der Stille gibt sich in, durch uns als uns eine indi­vi­du­el­le Per­spek­ti­ve sei­ner selbst. Er trennt sich hier­bei jedoch nie­mals in von­ein­an­der getrenn­te Indi­vi­du­en auf. Der Oze­an bleibt ewig­lich er selbst, ganz und ungeteilt.

Was ist die Akti­vi­tät, das All-Wir­ken, des Oze­ans? Erlässt sich selbst zu. Er lässt das Gesche­hen sei­ner selbst zu. Und sein Licht und sei­ne Lie­be nährt alles in ihm. Und was ist die natür­li­che Hal­tung eines jeden indi­vi­du­el­len Aus­drucks des Oze­ans? Er lässt zu. Wir las­sen das Licht und die Lie­be des Oze­ans zu. Wir neh­men die glei­che Hal­tung wie der Oze­an ein und fin­den uns daher in und als das eine, unge­teil­ten Gesche­hen des Oze­ans vor. Unser indi­vi­du­el­les Gewahr­sein ist in kei­ner Wei­se vom Oze­an getrennt. Wir sind der unmit­tel­ba­re Aus­druck des Oze­ans. Zwi­schen der Unend­lich­keit des Oze­ans und sei­nem indi­vi­du­el­len Aus­druck befin­det sich kein Raum und kei­ne Zeit. Wir sind der Oze­an der Stille, uns seiend,uns – ein Jeder und eine Jede von uns – ohne die Vor­stel­lung, ein getrenn­tes Zen­trum zu bil­den, ohne die Vor­stel­lun­gen des kon­di­tio­nier­ten Intel­lekts über uns und über unse­re Welt. Der Oze­an der Stille und sein indi­vi­du­el­ler Aus­druck leben „vor “und daher trotz der Behaup­tun­gen des Intel­lekts. Wir brau­chen nicht die Ver­mitt­lung des Intel­lekts, nicht sei­ne Vor­stel­lun­gen und Kon­zep­te, um uns selbst so zu erfah­ren, wie wir sind.

Und so gewöh­nen wir uns dar­an, ein­fach in der Wachheit,in der Selbst­er­kennt­nis, die vor allen Gedan­ken und Wor­ten ist, zu ruhen. Wir sind der Gast der Stille; wir sind der Gast der Unend­lich­keit. Wol­len wir als Gast unse­re eige­nen Wün­sche und Vor­stel­lun­gen vor­tra­gen? Nein, unser Gast­ge­ber weiß um uns. Er weiß, wes­sen wir bedür­fen und gibt in jedem Augen­blick alles, was wir brauchen.

Der Schlüs­sel ist das Zulassen.Das Zulas­sen ist die neue Bewe­gung, die wir fin­den: Waches, bewuss­tes Zulassen.

(Eini­ge Minu­ten stil­les Gewahren)

Eini­ge von euch haben mir wun­der­ba­re Fra­gen und Anre­gun­gen geschickt. Lasst uns alle, wenn wir die Fra­ge hören, mit ihr still sein, wis­send, dass jede Fra­ge auch unse­re Fra­ge ist. Und las­sen wir die Ant­wort auftauchen.

Die ers­te Fra­ge ist:

Ich fra­ge, ob es wahr ist, dass beim kon­tem­pla­ti­ven Schrei­ben aus dem Gewah­ren der Stille Bot­schaf­ten auf­tau­chen und diese als inne­res Wis­sen erfah­ren werden? 

Nun,es ist schön, dass du das fragst. Du müss­test es gar nicht fra­gen, weil du es weißt. Da du aus dem Gewah­ren der Stille schreibst, ist alles, was du schreibst, von innen gespeist und trägt das Wis­sen des Innen. Das Gewah­ren der Stille ist das Gewah­ren des Innen. Stille ist nichts wei­ter als unser Innen. Und unser Innen ist Unend­lich­keit; unser Innen ist die Unend­lich­keit des Oze­ans mit sei­nem Wis­sen, mit sei­ner Intel­li­genz, mit sei­ner Akti­vi­tät, mit sei­ner Krea­ti­vi­tät. Wir befin­den uns im Oze­an unend­li­chen Wis­sens. Und die­ser Oze­an, in dem wir uns befin­den, ist gleich zei­tig das „Inne­re“ und das „Äuße­re“. Innen und außen sind das glei­che. Und so drückt sich das, was wir als Innen bezeich­nen, als das, was wir als Außen bezeich­nen, aus. Es ist jedoch eine Bewe­gung, eine Akti­vi­tät, eine Intel­li­genz.

Und ja, wir fin­den unse­ren indi­vi­du­el­len krea­ti­ven Aus­druck. Die leben­di­ge Stille in uns ani­miert uns, sie aus­zu­drü­cken. Und das Schrei­ben ist eine wun­der­ba­re Art, Wor­te der Stille, Bot­schaf­ten der Stille, in Form zu brin­gen und die­se For­men der Stille flie­ßen zu las­sen. Wir hal­ten sie nie­mals fest. Wir las­sen sie sich für unser per­sön­li­ches Erle­bens­feld und weit dar­über hin­aus ent­fal­ten und offen­ba­ren. Ganz gro­ßen Dank für die­se Frage!

Kom­men wir zur zwei­ten Fra­ge: Wie kann ich das Fühlen,das Gewahren und das Zulas­sen erreichen?

Lasst uns wie­der mit die­ser Fra­ge still sein. Lasst uns bemer­ken, dass der Intel­lekt schon zu wis­sen glaubt, was die Ant­wort ist. Kön­nen wir die Natur der Fra­ge füh­len und in uns leben­dig wer­den las­sen? Wie kann ich das Fühlen,das Gewahren und das Zulas­sen erreichen?

Wer oder was ist das Ich, wel­ches errei­chen möch­te? Wenn wir die­se Frage„Wie kann ich das Füh­len, das Gewah­ren und das Zulas­sen errei­chen?“ in uns hal­ten, kön­nen wir spü­ren: Hier stimmt etwas nicht. Es ist das „Ich“ und das „Errei­chen“. Das „Ich“ist das kon­di­tio­nier­te Ich des Intel­lekts. Das kon­di­tio­nier­te Ich des Intel­lekts und das Errei­chen-Wol­len gehen mit­ein­an­der ein­her. Wir kön­nen sagen, sie bil­den eine Bewe­gung; eine Bewe­gung jedoch, die nicht in der Wirk­lich­keit gegrün­det ist. Der Oze­an der Stille ist bereits gege­ben und all unser Sein fin­det in als und durch den Oze­an der Stille statt. Und es ist der Oze­an der Stille, wel­cher fühlt,welcher gewahrt und wel­cher zulässt. Das Füh­len, das Gewah­ren und das Zulas­sen ist die Akti­vi­tät der Stille. Und wir, als das indi­vi­du­el­le Gewahr­sein der Stille, kön­nen dies bezeu­gen und kön­nen sodann sagen: Ja, wir füh­len, wir gewah­ren, wir las­sen zu. Jedoch nicht wir als ein sepa­ra­tes Wesen füh­len, gewah­ren, ver­mö­gen zuzu­las­sen, son­dern wir, Stille, der Oze­an uns sei­end, sind der Füh­len­de, der Gewah­ren­de, sind das Zulassen.

Beson­ders gro­ßen Dank für die­se Fra­ge. Wir benö­ti­gen Geduld, damit sich die Ant­wort gänz­lich offen­bart. Wir wer­den immer wie­der zu die­ser Fra­ge zurückkehren.

Eine drit­te Fra­ge: Mei­ne Fra­ge ist, ob es rich­tig ist, fol­gend zu agie­ren: Wenn ich in Kon­takt mit einem Men­schen bin, der sich sei­nes selbst­lo­sen Selbst nicht bewusst ist, ist die ein­zi­ge Auf­ga­be es für den ande­ren zu wissen.Wie gehe ich damit um, dass der Impuls kommt ein “Ergebnis“haben zu wol­len, für das was bereits da ist als die Per­son? Was kann ich tun, um ihn in und als Frei­heit, die all­ge­gen­wär­tig ist, zu wis­sen? Ich bin der Raum. Das zu spü­ren, fehlt mir schwer.

Wenn ich, obwohl sich mir der Anschein prä­sen­tiert, dass sich mein Gegen­über sei­ner wah­ren Natur nicht oder nur wenig bewusst ist, den­noch die Wahr­heit von ihm weiß (was wun­der­bar ist),aber ein Resul­tat erwar­te – viel­leicht in der Form, dass mein Gegen­über sich ver­än­dert, dass er die Wirk­lich­keit, die ich „für ihn“ weiß, spürt – so kann ich mir des Rau­mes der Wirk­lich­keit, des Rau­mes der Stille, nicht bewusst gewahr sein. War­um? Weil nur der kon­di­tio­nier­te Intel­lekt ein Ergeb­nis möch­te (und die­ses zu brau­chen glaubt). Wenn wir wirk­lich bewusst in unse­rem selbst­lo­sen Selbst ruhen, erwar­ten wir kein Ergeb­nis, denn es besteht hier­für kei­ne Not­wen­dig­keit. War­um? Unser Erle­ben ist bereits das Ergeb­nis. Unser Sein fin­det im Oze­an der Stille statt und alles unse­res Seins ist gefühlt und gewusst vom Oze­an der Stille selbst. Der Oze­an ist sich selbst Ergeb­nis. Er braucht kein wei­te­res Ergeb­nis. Wir selbst sind bereits das eine und ein­zi­ge Ergeb­nis! Da wir in die­ser Rea­li­sa­ti­on ruhen, ist Stille der „Raum“ indem und aus dem all unser Erfah­ren geschieht.

Es gibt ein tie­fe­res Ver­ste­hen des­sen, was wir viel­leicht alle bereits prak­ti­zie­ren: Unse­re Mit­men­schen nicht nach dem Anschein zu beur­tei­len. Nun,wenn wir den jeman­den in der Wei­se beur­tei­len, dass wir den­ken, er oder sie ist sich sei­nes selbst­lo­sen Selbst nicht gewahr, so ist ist dies nicht die Wahr­heit. Befin­det sich unser Gegen­über nicht in glei­cher Wei­se, wie wir selbst, im Oze­an der Stille? Befin­det er sich nicht in glei­cher Wei­se inmit­ten des einen unge­teil­ten und unteil­ba­ren Lebens? Und ist es nicht Leben selbst, wel­ches gewahrt, wel­ches aus und als sei­ne völ­lig selbst­lo­se Exis­tenz gewahrt, fühlt und zulässt? Gibt es irgend­ei­nen Platz, wo der Oze­an dies nicht tun könn­te? Dort, wo der schein­bar unbe­wuss­te Mensch ist, ist der Oze­an der Stille, die­ses Wesen sei­end. Und der Oze­an der Stille ist sich als die­ses Wesen bereits in zulas­sen­der, füh­len­der Wei­se gewahr. Lasst uns also erlau­ben, dass selbst die Inter­pre­ta­ti­on, dass uns irgend­wo ein Mensch gegen­über­ste­hen könn­te, der sich sei­nes selbst­lo­sen Selbst nicht bewusst ist, nicht stimmt. Und lasst uns in die­sen Gewahr­sein unse­rem Nächs­ten begegnen.

Kön­nen wir uns selbst, unse­rer wah­ren Natur, jemals nicht gewahr sein? Nur dem Anschein nach. Alles unse­res Erfah­rens ist die wah­re Natur, ist das eine Selbst, das eine Sein. Das eine Sein ist immer und über­all gänz­lich es selbst. Urtei­len wir also nicht nach dem Anschein, son­dern nach unse­rer Selbst-Natur. Unse­re Selbst-Natur ist nicht der Anschein, den der Intel­lekt uns ver­mit­teln möch­te. Unse­re Selbst-Natur ist vom Intel­lekt unbe­rührt. Das, was wir von ande­ren den­ken, ist nicht rele­vant. Ein­zig das, was wir von dem Ande­ren wis­sen (sei­ne Wirk­lich­keit), ist wich­tig. Und das, was wir von dem Ande­ren wis­sen, ist das, was wir über uns selbst wissen.

Gro­ßen Dank auch für die­se Frage.

Lasst uns abschlie­ßend noch ein­mal kontemplieren:

Wir wer­den uns der zulas­sen­den Natur unse­res Seins wie­der deut­li­cher gewahr. Unser Gewahr­sein beginnt sich sofort mit dem Licht und der Lie­be der Stille zu fül­len, da wir die Hal­tung des Zulas­sens ein­neh­men. In der Hal­tung des Zulas­sens ver­schwin­det jede Idee des Errei­chens. Wir kön­nen uns der vie­len Ideen des Intel­lekts zum Wer­den und Errei­chen mehr und mehr bewusst wer­den. Und indem wir uns ihrer bewusst wer­den, erhal­ten wir die Fähig­keit, sie nicht fest­zu­hal­ten, sie nicht als unse­re Iden­ti­tät zu betrach­ten. Unser Ich ist nicht das Ich, von dem der Intel­lekt spricht. Unser Ich ist der Oze­an der Stille, der bereits gege­ben ist, wann und wo auch immer wir sind. Der Oze­an der Stille und sei­ne Fül­le ist unser Sein, das Sein aller und das Sein von Allem.

(Noch eini­ge Minu­ten des stil­len Gewahrens)

1Eck­hart von Hoch­heim, Deut­sche Pre­dig­ten und Trak­ta­te, Pre­digt 13

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Das leben­di­ge Wort

Auf Grund­la­ge der Sonn­tags­grup­pe vom 15.12.201im Zyklus „Das Herz der Stille“


Das Leben aus Stille, das Leben aus Gott, ist nicht das Leben, wel­ches der Glau­be an Getrennt­heit zu ken­nen meint. Dieser Glau­be meint niemals uns. Emeint die Welt der Vor­stel­lun­gen und Kon­zep­te. Er sprichnicht von der direk­ten Erfah­rung unse­res Seins. Die Welt unse­res Seins befin­det sich wie einen Mil­li­me­ter „vor der Welt des Glau­bens und sei­nen Inter­pre­ta­tio­nen. Alle Wahr­heit, die wir hören, alle Wahr­heit, die wir emp­fin­den, gehört jedoch zu der Welt der Wirk­lich­keit und meint das unmit­tel­ba­re Erfahren des Seins. Es bedarf nur die­ses klei­nen Zurück­leh­nenin unse­rem Gewahr­sein – eineMil­li­me­ter „hin­ter“ die Ober­flä­che der Erfah­rung. Dort ist der Oze­an der Stille – der Oze­an der Stille und sei­ne Bewe­gung, die Bewe­gung des Offen­ba­rens sei­ner Fül­le, sei­nes Lebens als dein und mein Erfahren.

(Eini­ge Minu­ten stil­len Gewahrens) 

Am Anfang des Johan­nes­evan­ge­li­ums lesen wir:

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Die­ses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das­sel­be ent­stan­den; und ohne das­sel­be ist auch nicht eines ent­stan­den, was ent­stan­den ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Men­schen. Und das Licht leuch­tet in der Fins­ter­nis, und die Fins­ter­nis hat es nicht erfasst.“1

Dort, wo in den Schrif­ten die Ver­gan­gen­heits­form benutzt wird, erschließt sich das unmit­tel­ba­re, mysti­sche Ver­ständ­nis der Wor­te bes­ser, wenn wir sie in der Gegen­warts­form auf­fas­sen. Im Anfang war das Wort“ meint Im Anfang ist das Wort“. Der „Anfang“ ist kein his­to­ri­scher Anfang, kein Anfang in der Zeit. Eist der gegen­wär­ti­ge Augen­blick. Im gegen­wär­ti­gen Augen­blick (jetztist das Wort und das Wort ist bei Gott. Das „Wort“ ist in Stille, denn Gott ist Stille. Das Wort ist in dem, was kein Gegen­stand, kein Objekt des Erfah­rens ist und dennoch alles ist, was ist. Stille ist das nicht-objekt­haf­te eine Sein und ist alles, was ist, an jedem „Punkt“ ihrer selbst zur glei­chen Zeit. 

Und in Stil­le ist das „Wort“. Was bedeu­tet „das Wort“, wel­ches genau jetzt ist? Der durch Glau­be kon­di­tio­nier­te Intel­lekt mag an ein Wort im Sin­ne eines Lautgefü­geden­ken. Dies ist kein Pro­blem; dies ist, was der Intel­lekt tut. Und da Gott, da Stille, alles ist, ist die Wirk­lich­keit des Intellekts Stil­le, Gott. So las­sen wir die kon­di­tio­nier­te Ver­fas­sung des Intel­lekts ein­fach sei­ne Bewe­gung aus­füh­ren, wis­send, dass die­se nicht die Wirk­lich­keit anzeigen.

Das Wort“ ist die leben­di­ge Wahr­heit. Eist das Gesche­hen, wel­ches Augen­blick um Augen­blick aus Stille auf­steigt. Es ist das Gesche­hen, wel­ches die Akti­vi­tät, das Wir­ken, der Stille ist. Wir kön­nen es Spirit oder Geist nen­nen. Alles ent­steht in die­sem und jedem Augen­blick, durch Spirit, durch Geist, durch das leben­di­ge Wort. Und nichts, was ent­steht, nichts des leben­di­gen, unmit­tel­ba­ren Seins kann in einer ande­ren Wei­se ent­ste­hen, als durch das Wort. In ihm [im Wort, im Wir­ken des Geis­tesist das Leben. Und das Leben ist das Licht der Men­schen.

Was jedoch beschreibt der Intel­lekt als Leben? Eine Ansamm­lung von ein­an­der getrenn­teTei­le und ein sepa­ra­tes Ich, wel­ches im Zen­trum die­ser Ansamm­lung steht, sich in Bezie­hung zu den Tei­len erlebt und defi­niert, und vor­gibt, die Quel­le des als „eigen“ emp­fun­de­nen Erfah­rens zu seinDies aber ist nicht das Leben, wel­ches das Licht der Men­schen ist. Das Licht, das wah­re Leben, ist das Licht, wel­ches dem Wir­ken der Stille, dem Wort, innewohnt. Wir kön­nen das Licht Gewahr­sein nen­nen. Gewahr­sein ist, was Leben ist. Gewahr­sein und Leben sind das glei­che. Könn­te es Leben ohne Gewahr­sein gebenKönn­te es Gewahr­sein ohne Leben geben? Wo Leben ist,ist Gewahr­sein. Gewahr­sein ist das inne­woh­nen­de Licht der All-Aktivität der Stille. Lasst uns, wenn wir den Begriff Leben hören, ver­ste­hen, was Leben wirk­lich ist. Leben ist Gewahrsein. Und Gewahr­sein ist kei­ne Idee, kein Kon­zept.Gewahr­sein ist rei­nes Gewahren. Gewahr­sein ist rei­nes Fühlen. Gewahr­sein ist rei­nes Zulas­senEs ist die unun­ter­bro­che­nen Akti­vi­tät des Wir­kens des Lich­tes des Wor­tes, wel­ches aus der Stille kommt.

Und das Licht leuch­tet in der Fins­ter­nis.“ Was ist die „Fins­ter­nis“, in der das Licht leuch­tet? Sie ist die Welt des Glau­bens an Getrennt­heit. Wenn jedoch das Licht der Stille unser Erfah­ren auf­zuhel­len beginnt, kann es Glau­be und sei­ne Welt nicht begrei­fen. Das Wir­ken des Lich­tes der Stille ist von einer ande­ren Natur als das, was Glau­be als Wirken auffasst. Es ist ein Wirken, wel­ches voll­kom­men unab­hän­gig von der Welt des Glau­bens an Getrennt­heit wirkt. Und nur was in und als die­ses Wir­ken ent­steht, ist Wirklich­keit, ist das, was ist – „vor“ der Welt des Ver­stan­des ist. Wir kön­nen das Wir­ken der Stille nie­mals aus der Posi­ti­on, die der Intel­lekt beschreibt, der Posi­ti­on eines geglaub­ten, sepa­ra­ten und pri­va­ten Selb­st, erle­ben. Wir erle­ben das Wirken des Lich­tes, das Wir­ken der Lie­be, wel­ches durch das Wort, durch Geist, aus Stille fließt, in der Hal­tung des Zulas­sens. Wir erle­ben enicht als ein sepa­ra­tes Wesen, son­dern als die Akti­vi­tät der Stille. Wir erle­ben es als das Wort. Und wir sind das Erle­ben. Wir sind das Gesche­hen. Wir sind das Gewahren. Wir sind das Fühlen. Wisind das Zulas­sen.

Sind“, das Verb „sein“, defi­niert nicht etwas Gegen­ständ­li­ches, obgleich der Intel­lekt in sei­ner kon­di­tio­nier­ten Ver­fas­sung dies zu signa­li­sieren scheint.Sein“ ist Wirken, ist Akti­vi­tät. „Sein“ ist Spirit, Geist. „Sein“ ist das Wortnicht die Buch­sta­ben oder die Lau­te als sol­che – son­dern das Sei­en­de selbst ist das Wort, wel­ches aus Stille ist.

Und da wir die Leben­dig­keit des Lich­tes in und als uns füh­len, mögen wir erle­ben, dass der Glau­be an Getrennt­heit ver­sucht, etwas dar­aus zu machen, es in sei­ner Welt eines per­sön­li­chen Selb­st ein­zu­bin­den, es für sei­ne Welt ver­füg­bar zu machen. Und dies gelingt nie. Unser indi­vi­du­el­les Sein ist die fort­wäh­rend neue Offen­ba­rung des Wor­tes und lässt sich nie­mals fassen, kate­go­ri­sie­ren oder ver­füg­bar machen. Und aus dem leben­di­gen Wort, aus dem leben­di­gen Offen­ba­ren, Augen­blick um Augen­blick, ent­steht unse­re Welt – nicht eine Welt von getrenn­ten Objek­ten, nicht eine Welt aus Mate­rie – son­dern die Welt von von Ist.

Blei­ben wir im Gewahren selbst, im rei­nen Fühlen, im Zulas­sen. Die Welt, die wir in die­ser Wei­se wahr­neh­men ist kei­ne mate­ri­el­le Welt, kei­ne Welt von­ein­an­der getrennter Tei­le. Es ist die eine Welt, das eine unge­teiltund unteil­ba­re Leben, wel­ches aus Licht ist. Es ist eine Welt aus rei­nem Gewahrsein.

Alles unse­res Erfah­rens ist aus Licht, wel­ches aus Stille, aus Gott, ist.

Lass Glau­be sei­ne Inter­pre­ta­tio­nen behal­ten. Sie spie­len kei­ne Rol­le. Unse­re unmit­tel­ba­re Erfah­rung ist „vor den Annah­men des Glau­bens und unab­hän­gig von dem, was Glau­be als Wahr­heit behauptet.

Wahres Verste­hen bedeu­tet das zu sein, was wir ver­ste­hen. Wir sind das Wort. Wir sind das leben­di­ge Gesche­hen von Spi­rit, von Geist, Licht. Alles unse­res Seins ist aus Licht, dem Licht der Stille.

Lassen wir Glau­be ruhig behaup­ten: „Ich kann dies nicht ver­ste­hen.“ Das ist eine kor­rek­te Aus­sa­ge. Da das Licht in der Fins­ter­nis zu leuch­ten beginnt, kann es die Fins­ter­nis, das Ich des Glau­bens an Getrennt­heit, nicht begrei­fen. Jedoch begrei­fen wir es, weil wir es sind. Wir begrei­fen es durch, in und als das Gesche­hen sei­ner selbst und das Gesche­hen sei­ner Selbst ist das Begrei­fen. Und wenn wie­der daIch des Glau­bens uns zu defi­nieren ver­sucht, so leh­nen wir uns inner­lich einen Mil­li­me­ter zurück. Und hier ist der Oze­an der Wirk­lich­keit, die Unend­lich­keit unse­res Seins, das Nicht-Greif­ba­re, das Nicht-Körper­hafte, sich unun­ter­bro­chen als sein indi­vi­du­el­les Sein offen­ba­rend.

(Eini­ge Minu­ten des stil­len Gewahrens)

Wir kom­men nun zu einer Fra­ge, die ich erhal­ten habe: „Ist das indi­vi­du­el­le Leben die Absicht und Auf­ga­be, die ein jeder ist, und ist es unse­re Frei­heit und Erfül­lung sie zu erfüllen?“ 

Es ist so sehr wich­tig, leben­dig zu ver­ste­hendass unser indi­vi­du­el­les Leben kein sepa­ra­tes Leben ist. Es ist auf dem spi­ri­tu­el­len Weg von gro­ßer Wich­tig­keit, tief­grün­dig den Unter­schied zwi­schen indi­vi­du­el­leund separa­ten Leben zu ver­ste­hen. Unser indi­vi­du­el­les Leben, unser wah­res und indi­vi­du­el­les Leben, fin­det im bewuss­ten Erken­nen des Oze­an der Stille statt. Und unser indi­vi­du­el­les Leben ist das Leben, das wir sind. Ja, hin­sicht­lich unse­reindi­vi­du­el­len Lebenim Oze­an der Stille, im bewuss­ten Eins­sein mit Stille, mit Gott, kön­nen wir von einer Absicht spre­chen. Die­se Absicht ist jedoch kei­ne Absicht in dem Sin­ne, dass wir eine eige­ne, per­sön­li­che Absicht oder Auf­ga­be haben. Viel­mehr ist unser indi­vi­du­el­les Leben die Absicht (so heißt es auch in der Fra­ge) und offen­bart unse­re Auf­ga­be. „Gott ist indi­vi­du­el­les Sein“, „Ich und der Vater sind eins“ – undie­ses Eins­sein ist ein absichts­volles Gesche­hen. Um dies zu ver­ste­hen, las­sen wir jeg­li­che kon­di­tio­nier­te Inter­pre­ta­ti­on von dem, was Absicht ist, hin­ter uns. Das Gesche­hen selbst beinhal­tet das Wis­sen um die Absicht. Die Absicht ist das Wir­ken, wel­ches das Wort ist. Die Absicht ist Selb­st-Offen­ba­rung. Gott, Stille, offen­bart sich Augen­blick für Augen­blick als frei­es, unge­bun­de­nes, indi­vi­du­el­les Sein. Und dies ist, was wir in jedem Augen­blick sind. 

Als frei­es unge­bun­de­nes Sein haben wir einen körper­haf­ten, dimen­sio­na­len Ein­druck des Wir­kens, wel­ches das Wort ist, und wir erfül­len die Absicht, die dem Wirken inne­woh­nend ist – in und als unse­re mensch­li­che Erfah­rung. Wie­der­um spre­chen wir nicht von jener mensch­li­chen Erfah­rung, die Glau­be zu ken­nen meint, der Erfah­rung eines getrenn­ten, pri­va­ten und auto­no­men Selbst. Wir spre­chen von der Erfah­rung, die sich aus Stille, durch das Wort, mit dem Licht des Wor­tes – dem Licht des Gewahr­seins – als all unser Erfah­ren offen­bart. Es ist die glei­che Erfah­rungswelt, die Glau­be als getrennt, unter­teilt, per­sön­lich, phy­sisch oder mate­ri­ell auf fasst. Im unmit­tel­ba­ren Erfah­ren jedoch, im Gewah­ren des Gesche­hens des Wor­tes, wel­ches aus Stille, aus Gott ist, offen­bart sich mit, durch und als die­ses Gesche­hen unse­re mensch­li­che Absicht und mensch­li­che Auf­ga­be, wel­che es ist, das Offen­ba­ren zuzu­las­sen. Aus mir selbst her­aus bin ich nichts.“ Es ist die All-Akti­vi­tät des Wor­tes in mir und als mich, wel­ches sicht­bar in die­ser Welt lebt. Der von Glau­be kon­di­tio­nier­te Intel­lekt möch­te wis­sen, was „mei­ne“ per­sön­li­che Absicht und Auf­ga­be ist. Die Wirk­lich­keit jedoch offen­bart die Absicht und Auf­ga­be unse­res wah­ren Selbst: Das unper­sön­li­che, das zulas­sende, das selbst­lo­se Selbst zu seinUnd sofort sind wir in unse­rer wahren Funk­ti­on, die nun in ein­zig­ar­ti­ger Wei­se sicht­bar wird.

Lasst uns kei­ne Vor­stel­lun­gen dar­über hegen, wie sich unse­re wah­re Funk­ti­on gestal­ten soll­te. Sie kann sich auf jeg­li­che Wei­se zei­gen. Wir kön­nen uns aktiv tätig erle­ben oder auch nur still dasit­zend und schein­bar nichts Spezi­el­les tun. Ein jeder und eine jede von uns hat spe­zi­el­le Talen­te, spe­zi­el­le Fähig­kei­ten und Aus­drucks­mög­lich­kei­ten. Und die­se tre­ten her­vor – im schein­bar Klei­nen wie im schein­bar Großen. Es ist die eine Bewe­gung, das eine Wirken. Es ist das Wort, wel­ches aus Stille ist. Es ist das wah­re Leben, wel­ches Licht, wel­ches Gewahr­sein ist, und sich als die For­men unse­res mensch­li­chen Lebens offen­bart. Es befin­det sich einen Mil­li­me­ter „vor“ der Welt des Intel­lekts. Es ist das Einzi­ge, was uns wirk­lich Erfül­lung erfah­ren lässt. Es ist Fül­le selbst, in ihrer Bewe­gung des Sich-selbst-Offen­ba­rens.

Und so füh­len wir unswenn sich unser Talent offen­bart, wenn sich unse­re Fähig­keit zu geben zeigt und wir die­se zulas­sen – auf natür­li­che Wei­se erfüllt. Diese offen­baren sich, da wir ver­ste­hen, was und woher wir sind und da wir ver­ste­hen, was und woher wir nicht sind.

Mit unse­rer mensch­li­chen Exis­tenz geht eine uns inne­woh­nen­de Fähig­keit ein­her. Es ist die Fähig­keit des Zulas­sens, des Zulas­sens des Lich­tes und der Lie­be der Stille. Es ist ein waches, akti­ves, bewuss­tes Zulas­sen. Es ist das Zulas­sen, dasSpi­rit, Geist, das Wort, uns bewegt und animiert. 

Ist das indi­vi­du­el­le Leben die Absicht und Auf­ga­be, die ein jeder ist, und ist es unse­re Frei­heit und Erfül­lung sie zu erfül­len?Ja, das indi­vi­du­el­le Leben – Gott, Stille, indi­vi­du­el­les Sein sei­enist die Absicht und offen­bart die Auf­ga­be, die wir sind und haben. Und dies ist unse­re Frei­heit und Erfül­lung. Es ist das Einzi­ge, was uns wirk­li­che Frei­heit und Erfül­lung erfah­ren lässt. Und die Erfah­rung, die­se Frei­heit und die­se Erfül­lung im mensch­li­chen Kon­text zu erle­ben, ist unse­re Freu­de – unse­re Freu­de, als selbst­lo­ses Selb­st zu leben, was gleichzei­tig bedeu­tet als wah­res Indi­vi­du­um zu leben.

Je mehr wir der Unend­lich­keit des Seins erlau­ben unser Sein zu sein, des­to indi­vi­du­el­ler und ein­zig­ar­ti­ger ist unser Aus­druck des Seins. Je mehr wir der Unend­lich­keit des Seins gestat­ten unser Sein zu seindes­to rei­cher ist unser Erfah­ren, des­to mehr Nuan­cen und Details unse­res Seins erfah­ren wir. Wir sind Stille, Gott, uns und unser Erfah­ren seiend. Dies ist das wah­re indi­vi­du­el­le Sein.

(Eini­ge Minu­ten des stil­len Gewahrens)


Im Anfang – jetzt – ist das Wort.

Und das Wort ist jetzt, in jedem Augenblick,

bei und aus Gott, der Stille unse­res Seins.



Und Stille ist die Wirk­lich­keit des Wortes.

Stil­le ist das Wort.

Stille, Gott, ist unser Sein.


Und alles ent­steht und offen­bart sich, aus Stille,

durch das Wort, durch das Wirken der Stille.


Wirken bedeu­tet Leben.

Leben ist Licht. Leben ist Gewahrsein.


Und das Licht der Stille leuch­tet dort,

wo der kon­di­tio­nier­te, mensch­li­che Geist behauptet,

dass die Welt eines sepa­ra­ten Selbst wirk­lich sei.


Das Licht der Stille offen­bart unge­ach­tet dessen

sei­ne For­men der Harmonie, 

der Unver­sehrt­heit und der Ganzheit,

Augen­blick für Augenblick. 


Großen Dank uns allen.

1Johan­nes 1, 1–5

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Mühe­lo­se Ausrichtung

Auf Grund­la­ge der Sonn­tags­grup­pe vom 14.06.2020 im Zyklus „Die Kunst des Lau­schens

Lasst uns zur Ein­stim­mung die „Wor­te am Mor­gen“ von Don­ners­tag und Frei­tag hören.

Wenn der Wind das Blatt eines Bau­mes berührt,

berührt er dann nicht das Gan­ze des Baumes?


Da Stille dich berührt,

berührt sie nicht das Gan­ze von dir?


Kann ein Blatt etwas ande­res sein,

als der Baum selbst, alles die­ses Blat­tes seiend?


Kannst du etwas ande­res sein,

als Stille selb­st, alles an dir seiend?

(Wor­te am Mor­gen 100)


Hat das Blatt eines Bau­mes nicht alles,

was der Baum ist und hat?


Muss es sich dar­um bemühen?

Muss es an sich arbeiten?

Muss es sich als wür­dig erweisen?

Nein.


Das Blatt weiß nichts von alledem.

Es lässt ein­fach den Baum es selbst sein.

~

Hast du nicht alles, was Stille ist und hat?


Musst du dich dar­um bemühen?

Musst du an dir arbeiten?

Musst du dich als wür­dig erweisen?

Nein.


Erlau­be dir, von aller Mühe abzulassen.

Las­se ein­fach Stille du sein.

(Wor­te am Mor­gen 101)


Wie kön­nen wir sagen, dass die leben­di­ge Erkennt­nis unse­rer wah­ren Natur von Gott, Stille, indi­vi­du­el­les Sein sei­end, völ­lig mühe­los geschieht? Es ist tat­säch­lich so: Die Gott-Erfah­rung ist völ­lig mühe­los und muss völ­lig mühe­los sein. Das Erfah­ren wah­rer Stille geschieht ohne jeg­li­che Anstren­gung – und nur ohne jeg­li­che Anstren­gung. War­um kön­nen wir dies sagen? An wel­chem Punkt der Ent­fal­tung unse­res Bewusst­seins kön­nen wir dies wirk­lich erle­ben? Nun, wir kön­nen es in dem Maß erle­ben, in dem wir die Kunst des wah­ren Lau­schens, Gewah­rens und Zulas­sens ent­de­cken und hier­durch unse­re wah­re Natur als das selbst­lo­se Selbst erken­nen.

Solan­ge unser Ver­such, Gott, Stille, zu erfah­ren, mit dem Wunsch ein­her­geht, etwas Per­sön­li­ches zu erlan­gen, füh­len wir eine Anstren­gung. War­um? Weil es nichts Per­sön­li­ches gibt! Es gibt kein per­sön­li­ches Selbst, das etwas errei­chen könn­te oder etwas bekom­men müss­te. Doch solan­ge in unse­rem Bewusst­sein die­ser Glau­be vor­han­den ist und wir auf der Basis die­ses Glau­bens suchen, kon­templie­ren und zu lau­schen ver­su­chen, ist dies anstren­gend, aus dem ein­fa­chen Grund, dass es nicht funk­tio­niert und nicht funk­tio­nie­ren kann. Es gibt kein Errei­chen von dem, was bereits ist.

Und so bedarf es des Ergrif­fen­seins von der Wahr­heit der Aus­sa­ge: Gott, Stille, kann nicht erreicht wer­den und muss nicht erreicht wer­den. Gott, Stille, ist das, was bereits ist, und ist alles, was ist. Es bedarf nichts Zusätzlichem.

In wel­cher Hal­tung befin­den wir uns, da die­ses Ver­ste­hen auf­taucht? Es kann nur die Hal­tung des Lau­schens, Gewah­rens und Zulas­sens sein. Wir sind der Gast des voll­ende­ten Rei­ches der Stille, der Gast des Rei­ches Got­tes. Das Reich Got­tes ist das Reich des einen, unge­teil­ten und unteil­ba­ren Bewusst­seins, das Reich des all­ge­gen­wär­ti­gen Einen, wel­ches alles ist, wel­ches über­all ist und daher nicht erst erreicht wer­den muss oder auch nur erreicht wer­den könn­te. Jede Anstren­gung, das zu errei­chen, was bereits ist, fußt auf einem Glau­be – dem Glau­be an eine wei­te­re Exis­tenz, an ein wei­te­res Selbst, wel­ches nicht bereits alles des einen Seins ist und hat.

Dass wir bereits das sind, was wir gesucht haben, wird offen­sicht­lich, da wir zu ver­ste­hen begin­nen, dass wir nicht nach einer ande­ren Erfah­rung als jener, die gera­de ist, suchen müs­sen und statt­des­sen der Stille, der Sub­stanz allen Erfah­rens, lau­schen und ihrer gewah­ren. Lau­schen und Gewah­ren sind kein Suchen. Lau­schen und Gewah­ren bedeu­tet zu fin­den. Gewah­rend, lau­schend und zulas­send offen­bart sich mühe­los die Fül­le des­sen, was ist.

Wir sehen, wir hören, wir emp­fin­den in völ­li­ger Ein­fach­heit und Lau­schen dem Innen, der Sub­stanz allen Erfahrens.

Und wir sind zufrie­den. Wir sind ein­zig in Stille, in Gott, zufrie­den. Und aus der Stille unse­res Seins formt sich alles, des­sen wir bedür­fen. Wir müs­sen dies nicht nach­voll­zie­hen. Hier, in wah­rer Stille, wis­sen wir, dass für alles gesorgt ist.

Ich habe eine Fra­ge erhalten:

Lie­ber Johannes,

bit­te sprich ein­mal zu dem The­ma Aus­rich­tung, das sich gera­de mit einer gefühlt grö­ße­ren Dring­lich­keit mel­det. Schon Jesus hat ja den Men­schen dar­ge­legt, dass man nicht „Die­ner zwei­er Her­ren“ sein kann. Was aber bedeu­tet es, nur Stille, Gott, dem „einen Herrn“ zu „die­nen“? Und wes­sen bedarf es, hier­in bestän­dig zu sein?

Nun, wir müs­sen unser Bewusst­sein zuerst für die Erkennt­nis öff­nen, dass es nicht uns und Gott, nicht uns und Stille, nicht uns und die Quel­le gibt. Es gibt nur Stille, uns seiend. Es gibt nur Stille, das namen­lo­se Eine, genau die­ses und jedes Erfah­ren in die­sem und jedem Augen­blick sei­end.

Und natür­lich kön­nen wir hier nicht wirk­lich von einem „Die­nen“ spre­chen. Wir könn­ten uns fra­gen: Dient Gott, Stille, uns oder die­nen wir Gott, Stille? Es gibt nur Gott. Was jedoch die Fra­ge wohl meint, ist – und das ist auch der zwei­te Teil der Fra­ge: Wie kön­nen wir unun­ter­bro­chen in die­ser Erfah­rung sein und sie leben? Und hier kön­nen wir sehr wohl zwei Wei­sen, den All­tag zu leben, unterscheiden.

Das bewuss­te Leben in und aus Stille ergibt sich aus unse­rem unmit­tel­ba­ren, häu­fig spon­ta­nem Erken­nen, was wah­re Stille, was Gott , was das Namen­lo­se Eine, jen­seits aller Gedan­ken und Wor­te, tat­säch­lich ist.

Sobald Stille durch ihr Licht und ihre Lie­be unser Wesen berührt, ent­steht die Sehn­sucht ganz in, durch und als Stille, dem unge­teil­ten und unteil­ba­ren Einen, zu leben. Die­se Sehn­sucht ist eine Anzie­hungs­kraft. Wir kön­nen sagen, wir sind wie Mot­ten, die ins Licht flie­gen wol­len oder wie Eisen­spä­ne, die von einem Magne­ten ange­zo­gen sind. Aus die­ser Anzie­hungs­kraft ergibt sich eine inne­re und äuße­re Aus­rich­tung. Die­se Aus­rich­tung mag anfangs mühe­voll sein. Wir haben gehört, war­um: Weil wir aus unse­rer mensch­li­chen Natur her­aus immer etwas für „uns selbst“ oder „für ande­re“ haben möch­ten, für ein Leben, wel­ches wir als das eige­ne, per­sön­li­che Leben oder das per­sön­li­che Leben unse­rer Mit­men­schen auffassen.

Die Anzie­hungs­kraft Got­tes, die Anzie­hungs­kraft wah­rer Stille jedoch, befreit unser Bewusst­sein von dem Glau­be, dass es neben Stille noch ein wei­te­res, von Stille getrenn­tes und von ihr ver­schie­de­nes Selbst namens ich, du, er oder sie gibt, wel­ches der Fül­le bedarf. Haben wir nicht immer wie­der gehört, dass ein­zig Gott, ein­zig Stille ist, dass Gott Fül­le ist, und dass Gott indi­vi­du­el­les Bewusst­sein ist? Wie könn­te es uns oder irgend­je­mand also an etwas ermangeln?

Und so zeigt sich uns in einer holp­ri­gen Art und Wei­se oder gar in einer stür­mi­schen Art und Wei­se oder aber in einer sanf­ten Art und Wei­se der Weg des Innen­hal­tens, des Lau­schens und des Zulassens.

Sobald wir wirk­lich inne­hal­ten, ist das Innen mit all sei­ner Fül­le zuge­gen. Wir konn­ten es nur noch nicht bemer­ken, da wir an die Wirk­lich­keit eines Außens geglaubt haben. Es gibt nur innen – und ja – eine schein­bar äuße­re Dar­stel­lung des Innen. Jedoch ist alles ein­zig innen, alles ist Stille, alles ist Gott und aus Stille ist alles unse­res Erfah­rens. Und da dies unse­re wah­re Natur ist, emp­fin­den wir sie als anzie­hend. Die­se Anzie­hungs­kraft, die wir als unse­re Lie­be zur Wahr­heit spü­ren, gibt uns die Rich­tung. Und wir erle­ben zuneh­mend, dass unse­re Lie­be zur Wahr­heit allen inne­ren Raum ein­neh­men möchte.

Stille, Gott, zeigt uns aber auch die prak­ti­schen Schrit­te – zeigt uns, wel­che äuße­ren Räu­me wir bereit­stel­len müs­sen, zeigt uns, was uns dar­in unter­stützt, dem Sog der Stille zu fol­gen. Und dies ist meis­tens nicht unser altes gesell­schaft­li­ches Leben. Selbst­ver­ständ­lich ist es ein­fa­cher, zu Hau­se an einem ruhi­gen Platz, im Gar­ten oder im Wald dem Innen gewahr zu sein und zu erken­nen, dass alles Außen aus dem Innen ist. Dies gelingt anfangs nur schwer­lich in Gesell­schaft von Men­schen, in denen sich die Sehn­sucht nach dem bewuss­ten Leben im unge­teil­ten Gan­zen noch nicht gemel­det hat, bei denen sich die Gesprä­che um die Din­ge der Welt als sol­che dre­hen und nicht dem gelauscht wird, woher alles ist, geliebt wird, woher alles ist, aner­kannt wird, woher alles ist.

Natür­lich haben wir wei­ter­hin unse­re Begeg­nun­gen mit unse­ren Fami­li­en und Freun­den. Und wir haben wei­ter­hin Ter­mi­ne, zu denen wir erschei­nen. Jedoch redu­ziert sich vie­les wie von selbst, ande­res orga­ni­siert sich neu. Doch auch inmit­ten jeder Umge­bung kön­nen wir immer wie­der kurz inne­hal­ten und dem Innen, der Prä­senz der Stille, gewah­ren oder ein­fach über die Wahr­heit unse­res und allen Seins kon­templie­ren. Wäh­rend unse­re Mit­men­schen im Raum laut über die Din­ge der Welt „kon­templie­ren“, kon­templie­ren wir im Stil­len über unser wah­res Sein, aus dem ein­fa­chen Grund, weil es uns dort­hin zieht und weil wir – über­all, wo wir sind – die­sem inne­ren Ruf fol­gen, so gut es geht. Dies bedeu­tet es, dem „einen Herrn zu die­nen“. Stille, das Innen, ist unser inne­rer „Gelieb­ter“. Die sich offen­ba­ren­de Prä­senz Got­tes, ist das, dem unser Augen­merk gilt. Wir kön­nen sagen, wir behü­ten sie wäh­rend des All­tags. Es ist das Wich­tigs­te für uns. Es ist die Quel­le, aus der wir leben. War­um soll­ten wir nicht bewusst unse­re Quel­le mit uns tra­gen – still, geheim und uner­kannt? Und dann mag es sein, dass uns unse­re Mit­men­schen anspre­chen, weil sie in der Begeg­nung mit uns in der einen oder ande­ren Wei­se die Prä­senz der Stille bemer­ken. Und erst dann soll­ten wir lang­sam etwas preisgeben.

Der Weg nach innen ist ein völ­lig indi­vi­du­el­ler Weg. Es geht nur um dich und mich, genau hier und genau jetzt, wo immer und wann immer wir uns und unse­re Welt vor­fin­den. Es geht um ein bewuss­tes Erken­nen, dass unse­re Welt, die Welt der Sin­nes­er­fah­rung und ihrer Inter­pre­ta­tio­nen, ledig­lich das Außen des Innen ist, unse­re Lie­be jedoch dem Innen gilt. Die Lie­be zum Innen unse­res Erfah­rens ist die innigs­te Bezie­hung, die wir erle­ben kön­nen. Es ist die Bezie­hung bewuss­ten Einsseins.

Und im Leben die­ser Bezie­hung fin­den wir Freun­de, fin­den wir Gemein­schaft mit jenen, die Stille, Gott, in glei­cher Wei­se lie­ben. Wir kön­nen sagen, wir fin­den die Gemein­schaft der Gott-Lie­ben­den, die Gemein­schaft derer, die auf die leben­di­ge Fühl­bar­keit der Prä­senz Got­tes ach­ten, die Gemein­schaft derer, die lau­schen – die Gemein­schaft derer, die stau­nend immer deut­li­cher erle­ben, dass es kei­ner Anstren­gung bedarf, um der Prä­senz und der Akti­vi­tät der Wirk­lich­keit und ihrer Fül­le gewahr zu sein und aus ihr zu leben.

Auf dem Weg ler­nen wir sehr schnell, die Anzie­hungs­kraft der Stille und die Anzie­hungs­kraft der Welt zu unter­schei­den. Hier­bei geht es nicht dar­um, den sinn­li­chen Erfah­run­gen der Welt den Rücken zu keh­ren – erin­nern wir uns: Gott ist Fül­le. Jedoch set­zen wir durch Lau­schen das Inne­re aller Sin­nes­er­fah­rung frei, indem wir uns nicht auf die Objek­te der Sin­nes­er­fah­rung als sol­che bezie­hen, son­dern ihrem Innen lau­schen. Wir lau­schen dem Innen aller Din­ge. Und in die­ser Wei­se erlau­ben wir allen Din­gen und allen Emp­fin­dun­gen, sich als das zu offen­ba­ren, was sie sind. Und so eröff­net sich uns immer häu­fi­ger, was das wah­re Leben, das ein­zi­ge Leben, ist: Das unmit­tel­ba­re Erfah­ren der Welt, wie sie ist, unge­fil­tert durch die Vor­stel­lung eines eige­nen Selbst.

An einem unvor­her­seh­ba­ren Punkt stellt sich das blei­ben­de Erken­nen ein, dass Getrennt­sein eine völ­li­ge Illu­si­on ist, die es weder gibt, noch je gege­ben hat. Ein­zig Stille, ein­zig das unge­teil­te und unteil­ba­re Eine ist, und offen­bart durch ihr Licht und ihre Lie­be, dass wir das sind, was wir geliebt haben. Wir sind ins Licht geflo­gen. Und was geschieht, da wir ins Licht flie­gen? Unser Ver­stand mag sich etwas Außer­ge­wöhn­li­ches vor­ge­stellt haben. Wir sind jedoch wei­ter­hin genau hier – Gott ist genau der Platz, an dem sich ein jeder und eine jede von uns gera­de vorfindet.Hier ist der Platz des Lich­tes. Hier ist der Platz bedin­gungs­lo­ser Lie­be. Hier ist der Platz des Namen­lo­sen. Und ja, hier ist wei­ter­hin Hören, Sehen, Emp­fin­den, hier sind alle Sin­nes­ein­drü­cke, jedoch bewusst in Lie­be und Licht erfah­ren – in, durch und aus dem Einen.

Auch wenn uns das Erfah­ren noch häu­fi­ger zu ent­schwin­den scheint – unser Kör­per kennt, liebt und erin­nert die­se Wei­se des Erfah­rens. Er sehnt sich danach. Und so haben wir eine kon­kre­te, leben­di­ge Erfah­rung als Rich­tungs­wei­ser. Unser Kör­per möch­te immer wie­der in die Rein­heit die­ser Erfah­rung zurück, weil sie unser natür­li­cher Zustand ist – das bewuss­te Erfah­ren des Eins­seins von Stille und Sin­nes­er­fah­rung, von innen und außen. Und dies möch­ten wir in unse­rem All­tag bei­be­hal­ten. Wir möch­ten dar­auf ach­ten. Und wir ler­nen, wo uns dies am bes­ten gelingt und wie uns dies am bes­ten gelingt.

Stille, Gott, sorgt für die Offen­ba­rung ihrer selbst – das All-Wir­ken des Einen stellt die Plät­ze und die Umstän­de zur Ver­fü­gung, ein­zig indem wir das Eine lie­ben und sei­ne Akti­vi­tät zulassen.

Und natür­lich mel­det sich im Zulas­sen des Wir­kens der Stille die mensch­li­che Kon­di­tio­nie­rung immer wie­der, der Weg der Welt, der Weg des mensch­li­chen Geis­tes. Die Anzie­hungs­kraft der Welt des mensch­li­chen Geis­tes hat uns jedoch nie erfüllt. Die Suche nach wah­rem, blei­ben­dem Glück auf den Wegen der Welt ist immer wie­der geschei­tert. Und sie muss scheitern.

Unser Sein ist aus Stille. Unser Erfah­ren ist aus Licht und Lie­be. Dies ist die Wahr­heit, die uns befreit und nicht unser Ver­such, sie wahr­zu­ma­chen. Es ist das bereits gege­be­ne Vor­han­den­sein unse­rer wah­ren Natur, wel­ches unser Bewusst­sein hier auf Erden von allen Schlei­ern befreit, und offen­bart, dass die Erde der Him­mel ist, dass jeder Moment der Erfah­rung frei ist und als frei erfah­ren wer­den kann, indem er nicht ergrif­fen und damit ver­ge­gen­ständ­licht wird, son­dern frei blei­ben darf, sich for­men darf, als Bild und Gleich­nis der Quel­le allen Seins.

So kön­nen wir sagen: Wir die­nen dem Einen, so wie das Eine uns dient. Es ist ein Gesche­hen. Es ist eine Liebe.

Vie­len Dank uns allen! Dan­ke, dan­ke für eure Prä­senz, eure Lie­be und eure Unterstützung.


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Wei­te­re Tex­te fol­gen demnächst.

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